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TS 96: Menschen auf fremden Sternen

TS 96: Menschen auf fremden Sternen

Titel: TS 96: Menschen auf fremden Sternen
Autoren: Chad Oliver
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wieder, nur nicht so stark. George saß im Büro seines Promotionsoffiziers und wartete. Will Nolan sah von dem Manuskript auf und lehnte sich zurück.
    „Großartig, George“, sagte er anerkennend. „Die Idee ist wirklich gut.“
    George richtete sich unwillkürlich auf. Nolan hatte noch keine seiner Ideen so positiv beurteilt.
    „Natürlich können sich Schwierigkeiten ergeben“, fuhr Nolan fort.
    „Du meinst, die Idee ist nicht originell genug?“
    „Ich halte sie für sehr brauchbar. Dein Plan beinhaltet alles. Du willst eine kleine Stadt, mit Geschäften, Vergnügungsvierteln, Nachbarn und festen Traditionen, die ein Gefühl der Sicherheit geben. Jeder kann nach seiner Fasson selig werden, weil es keine strengen Vorschriften gibt. Du hast an Sex gedacht, an die Religion, einfach an alles. Wenn es den Leuten nicht gefällt, können sie gehen und sich ein besseres System suchen. Hast du schon einen Namen dafür? Macht nichts, wir werden schon einen finden. Ich werde die Sache vorschlagen und dafür sorgen, daß deine Idee zur Wahl gestellt wird.“
     
    *
     
    Am Wahltag schien die Sonne. George hielt es für ein gutes Zeichen. Er flog mit seiner Frau und seinem Sohn in geringer Höhe um die Stadt herum und wartete.
    George war nervös. Sein System stand in Natchezville zur Wahl.
    George machte sich keine Illusionen. Er hatte keinen großen Namen.
    Über der Stadt hing ein uralter Zeppelin, den Nolan irgendwo aufgetrieben hatte. Auf langen Spruchbändern stand in Riesenlettern: DAS VOLLKREISSYSTEM BEDEUTET EIN VOLLERES LEBEN!
    Natchezville lag wie eine Spielzeugstadt in einer weiten Ebene. Überall dehnten sich riesige Baumwollfelder in alle Richtungen. Die Stadt war nach dem System des alten Südens eingerichtet, weil die Bewohner sich einmal dafür entschieden hatten. Die Arbeit auf den Feldern wurde allerdings von schwarzen Robotern verrichtet.
    „Vielleicht habe ich Glück“, sagte er hoffnungsvoll. „Der Konkurrenzkampf ist diesmal nicht sehr schlimm. Lloyd und Brigham kümmern sich nicht um eine Stadt wie Natchezville; sie stellen ihre Systeme in größeren Ansiedlungen zur Wahl. Wir haben es hier nur mit ein paar unwesentlichen Ideen zu tun.“
    Den ganzen Tag flog George durch die Gegend. Die tröstenden Bemerkungen seiner Frau machten ihn noch reizbarer.
    Kurz vor Mitternacht leuchtete der kleine Bildschirm auf. George erkannte Nolans Gesicht und wußte, daß es geklappt hatte.
    „Ein Sieg!“ jubelte Nolan. „Du kannst jetzt zeigen, was an deinem System dran ist.“
    George umarmte seine Frau und steuerte den Hubschrauber nach Hause. Die Sterne hatten plötzlich einen ganz anderen Glanz.
    „Ich bin so stolz auf dich, George“, sagte Lois glücklich.
    „Das war erst der Anfang.“ George lachte auf. „Warte erst einmal die Wahlen in Concordburg ab. Ich habe eine noch bessere Idee. Ich bin jetzt endlich im Geschäft.“
     
    *
     
    Robert Sage und der Historiker saßen beim zweiten Glas Bier.
    „Wir müssen alles aus damaliger Sicht sehen“, sagte der Historiker. „Halten wir uns an zwei Schlüsselideen. Viele Menschen konnten einfach nicht sehen, warum ständiger Wechsel gleichzeitig Fortschritt bedeutet. Wie kann ein Mensch wissen, daß das Nachfolgende besser ist als das Vorangegangene? Die Menschen jener Zeit waren aber sehr fortschrittsgläubig. Wer keinen Fortschritt wollte, war so gut wie tot. Das galt für den Einzelmenschen wie für die Nationen. Fortschritt bedeutete neue Fertigkeiten.
    Kulturen haben aber die merkwürdige Eigenschaft, sich zu verändern, obwohl sie von Natur aus konservativ sind, ja sein müssen. Kein integriertes System kann sich gleichzeitig in zehn verschiedene Richtungen bewegen. Man wollte immer dasselbe, aber mit kleinen Unterschieden. Mit anderen Worten, die Menschen wollten die Traditionen pflegen, gleichzeitig aber moderner werden.
    Wir können uns heute kaum noch vorstellen, daß die Industrien einmal von der Arbeitskraft der Menschen abhängig waren. Heute ist alles stabil, wir sind eine reine Verbrauchergesellschaft geworden. Der Wechsel war aber sehr krisenhaft. All die früheren Notwendigkeiten entfielen; der Mensch mußte seinem Schaffenstrieb neue Richtungen geben. Die Amerikaner kamen nun auf die Idee, immer neue Sozialsysteme zu erfinden. Sie wollten der Welt die Vorteile freierMeinungsbildung und Entscheidung demonstrieren. Die Folge war eine Aufteilung des Landes in verschiedene Sozialstrukturen. Schon früher hatte es Unterschiede zwischen
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