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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
Autoren: Henry Kuttner
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an.
    „Gedächtnisschwund?“ vermutete er. „Das kommt allerdings nur selten vor. Möchten Sie vielleicht einen der Ärzte sprechen?“
    Sam nickte wortlos.
     
    „Vor sechs Wochen wurden Sie zur Entziehungskur hier eingeliefert“, setzte ihm der Chefarzt in seinem hell gehaltenen Bürozimmer auseinander. „Der Mann, der Sie herbrachte, gab seinen Namen mit Evans an. Er hinterließ keine ständige Anschrift, sondern beschränkte sich auf die Erwähnung, er wäre auf der Durchreise in einem der hiesigen Hotels abgestiegen. Die Rechnung wurde bereits vor Ihrer Ankunft auf dem Überweisungswege beglichen. Wir erheben für jede Kur einen feststehenden Kostensatz.“
    Der Arzt blickte auf die Karteikarte, die vor ihm lag.
    „Sie trafen in guter körperlicher Verfassung ein. Offenbar war für Sie gesorgt worden, während Sie unter dem Einfluß des Traumstaubs standen. Heute morgen wurden Sie entlassen. Ein Mann, der sich gleichfalls Evans nannte, aber nicht mit Ihrem ersten Begleiter identisch war, holte Sie ab. Mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.“
    „Aber weshalb habe ich alles vergessen?“ Sam rieb sich die Stirn. „Was hat das zu bedeuten?“
    „Unter der Hand wird traurigerweise ein schwunghafter Handel mit Präparaten betrieben, die Gedächtnisschwund verursachen“, versetzte der Arzt. „Sie verließen die Klinik gut gekleidet und mit hundert Krediten in der Tasche. Sind Sie damit auch erwacht?“
    „Nein, im Gegenteil. Ich …“
    „Dann hat man Sie wahrscheinlich beraubt.“
    „Ja, ich – natürlich, anders kann es sich nicht abgespielt haben.“ Sam stützte den Kopf in die Hand und dachte daran, daß man ihn auf vielerlei Weise betäubt haben konnte. In irgendeiner Gasse brauchte ihm nur jemand Giftstaub ins Gesicht geschleudert oder ihn hinterrücks niedergeschlagen zu haben. Straßenräuber machten sich zwar selten die Mühe, ihre Opfer in die eigenen Lumpen zu hüllen, nachdem sie ihm die Kleider ausgezogen hatten, aber sonst nahm sich die Erklärung glaubwürdig aus.
    Wenn man von dem Mann absah, der bei seinem Erwachen nicht weit von ihm gewartet hatte.
    Geistesabwesend stand er auf.
    „Wenn ich vielleicht die Hoteladresse haben könnte, die dieser Evans Ihnen hinterlassen hat …“
     
    Sam wußte von vornherein, daß die Anschrift ihn nicht weiterbringen würde, während er auf den Zettel blickte und das Gleitband ihn von der Klinik wegtrug. Derjenige, der für die unerklärlichen Vorgänge verantwortlich war, die ihn hierhergeführt hatten, würde sämtliche Spuren verwischt haben.
    Vor vierzig Jahren war sein Bewußtsein im Nebel des Traumstaubs versunken. Hatten Zacharias Harker oder Kedre Walton sich danach um sein Wohlergehen gekümmert? Irgend jemand hatte dafür gesorgt, daß er schließlich geheilt und entlassen wurde – und entblößt und ausgeraubt, so daß er bei seinem Erwachen kaum mehr besaß als zu der Stunde, da er das Licht der Welt erblickt hatte.
    Im Grunde sogar noch weniger, denn damals verfügte er über sein Geburtsrecht. Wenigstens darum hatte man ihn nicht geprellt. Mit einem Anflug plötzlichen Stolzes dachte Sam, daß der Joel Reed, der eines Tages vielleicht tatsächlich zur Welt kam, seinen Vater um Kopfesgröße überragen und an schlanker, stattlicher Gestalt Zacharias Harker nicht nachstehen würde.
    Schon jetzt eilte sein Geist den Gegebenheiten um Jahrzehnte voraus, stellte Überlegungen an und schmiedete Pläne. Wenn er dabei an den Presser dachte, sah er ihn unter einem zeitlichen Blickwinkel, der ihn fast erschreckte. Mit solchen oder ähnlichen Gefühlen hätte er auch eine Katze oder einen Hund betrachtet. Die einmal gewonnene Erkenntnis, daß die Lebensspanne des normalen Menschen zu kurz war, ließ sich nicht wieder auslöschen.
    Jetzt nahm es ihn nicht mehr wunder, daß die Familien sich eng zusammengeschlossen hatten. Echte. Freundschaft konnte man ebenso wie Liebe, die kein Mitleid trübte, nur Ebenbürtigen entgegenbringen. Von altersher klaffte eine tiefe Kluft zwischen Göttern und Menschen.
    Ihm selbst halfen solche Erwägungen wenig. Er führte ein geduldetes Leben. Jemand hatte Nachsicht für ihn an den Tag gelegt. Wer? Hätte er nur den Beobachter in der Gasse festgehalten, bis seine Besinnung gänzlich zurückgekehrt war! Jemand hatte ihn absichtlich aus dem Vergessen erlöst und ihn mittellos und in Lumpen in Freiheit gesetzt. Weshalb? Um zu verfolgen, was er, allein auf sich selbst gestellt, erreichte?
    Hoffnungslos ließ
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