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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
Autoren: Henry Kuttner
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Mann, der ihm seine Schliche vor Jahrzehnten beigebracht hatte.
    Daß der Presser immer noch in seiner schmutzigen Wohnung am Rande der Kuppel lebte, erstaunte Sam nicht. Ihn überraschte vielmehr, daß der Presser überhaupt noch am Leben war.
    Unbewußt hatte er so wenig damit gerechnet, daß er seine Verkleidung nicht wieder angelegt hatte.
    Das Bett ächzte unter dem Gewicht der aufgeschwemmten Fleischmassen des Pressers. In seinen geschwollenen Gliedern hatte sich das Wasser gesammelt. Sein gedunsenes Gesicht war bläulich verfärbt.
    Er schnüffelte mühsam. Mit seinen glitzernden Äuglein betrachtete er Sam.
    „Na, schön“, krächzte er dann. „Komm rein, Kleiner.“
    Das Zimmer starrte vor Schmutz. In seinem Bett schnaufte und zwinkerte der Presser und versuchte, sich aufzurichten. Er gab schließlich das aussichtslose Bemühen auf und ließ sich zurücksinken. Dabei starrte er Sam an.
    „Gib mir etwas zu trinken“, keuchte er.
    Sam entdeckte auf dem Tisch eine Flasche und schraubte den Verschluß ab. Der Presser trank gierig. In seine Hängebacken trat wieder Farbe.
    „Der alten Schlampe muß ich alles dreimal predigen, bis sie’s tut“, murmelte er. „Was willst du?“
    Sams Blick haftete in sprachloser Verblüffung auf ihm. Der Presser schien gegen den Tod fast so gefeit zu sein wie die Unsterblichen.
    Das scheußliche Bild, das er bot, verriet aber, welchen Tribut er dafür gezahlt hatte. Inzwischen mußte er fast hundert Jahre alt sein, wie Sam sich staunend ausrechnete.
    Er trat ans Bett und nahm dem Presser die Flasche aus der Hand.
    „Laß das. Gib das Zeug wieder her. Ich brauche …“
    „Erst beantworten Sie mir ein paar Fragen.“
    „Gib die Flasche her.“
    „Wenn Sie mir gesagt haben, was ich wissen muß, bekommen Sie sie zurück.“
    Der Presser wühlte unter seinen schmutzigen Decken herum. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, lag ein Nadelstrahler darin, der in seiner Faust fast verschwand. Die dünne Mündung zielte auf Sam.
    „Her mit der Flasche“, sagte der Presser leise.
    Sam zuckte die Achseln und fügte sich. Daß der Presser seine Tatkraft noch nicht verloren hatte, beruhigte ihn. Am Ende lohnte sich sein Besuch doch.
    „Wissen Sie, wann ich zum letztenmal hier war?“ fragte er.
    Der Presser verzog die feisten Lippen.
    „Vor einer Ewigkeit, Kleiner. Muß mindestens dreißig oder vierzig Jahre her sein, was?“
    „Aber Sie erinnern sich noch an mich. Ich habe mich nicht verändert. Ich bin nicht gealtert. Und Sie waren nicht im geringsten überrascht. Presser, Sie müssen Bescheid wissen. Wo habe ich diese vierzig Jahre verbracht?“
    Die unförmige Gestalt bebte vor lautlosem Gelächter. Das Bett knarrte.
    „Willst du mir weismachen, du wärst Wirklichkeit?“ kicherte der Presser. „Glaubst du, ich wüßte nicht, daß ich bloß träume?“ Er klopfte auf eine buntschillernde Kugel von der Größe einer Männerfaust, die neben ihm stand. „Das nimmt die Schmerzen, Kleiner. Du weißt nicht, wie dir geschieht, wenn du Teufelspfeffer schluckst.“
    Sam bückte sich und sah das gelbe Pulver in der Kugel.
    „Ach so“, sagte er.
    Der Presser musterte ihn aus seinen verschlagenen Äuglein, die zwischen breiten Fettwülsten lagen. Langsam klärte sich sein Blick.
    „Ich träume wohl doch nicht“, murmelte er. „Du hast recht. Jetzt bin ich wirklich platt.“
    Sam betrachtete die gelbe Substanz. Teufelspfeffer schwächte das Unterscheidungsvermögen zwischen Einbildung und Phantasie. Der Süchtige glaubte die Trugbilder greifbar vor sich zu sehen, die seine Einbildungskraft ihm vorgaukelte.
    Sams Hoffnung sank. Von dem Presser würde er wohl kaum erfahren, wo er die Jahre zugebracht hatte, die als Lücke in seiner Erinnerung klafften.
    „Wie hast du das geschafft?“ krächzte der Presser. „Du müßtest längst tot sein.“
    „Ich weiß nur, daß mir vor vierzig Jahren Traumstaub ins Gesicht geblasen wurde. Seitdem bin ich nicht gealtert.“
    „Traumstaub erhält niemanden jung.“
    „Was sonst? Welcher Behandlung habe ich meinen Zustand zu verdanken?“
    Wieder erzitterte das Bett unter dem Kichern des Pressers.
    „Manche Leute suchen sich die richtigen Eltern aus und leben tausend Jahre lang“, bemerkte er, als er sich wieder beruhigt hatte.
    „Was?“ Sam starrte ihn an. Bis jetzt hatte er noch keine Zeit gefunden, um in Ruhe die Schlußfolgerungen zu überdenken, die sich aus den Ereignissen ergaben. Das Alter hatte ihn verschont. Demnach war er
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