Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 44: Die Milliardenstadt

TS 44: Die Milliardenstadt

Titel: TS 44: Die Milliardenstadt
Autoren: Kurt Mahr
Vom Netzwerk:
Ereignisses:
    Der Raum, in dem Egan-Egan mit seiner Mutter allein lebte, nachdem sein Vater zwei Monate zuvor gestorben war, verbarg wie jeder andere Wohnraum in seinen Wänden eine Armee von Geräten und Zuleitungen, die das Leben innerhalb des riesigen Gebäudes überhaupt erst möglich machten.
    In der Decke war die Kunstlicht-Anlage montiert, die ein Licht verbreitete, dessen Spektrum so gut es eben ging dem des Sonnenlichtes angepaßt war. Wer sich in Kreisen der vierten Kaste noch für solche Dinge interessierte, dem wurden sie mitgeteilt – ohne daß man ihm dazu hätte eine befriedigende Erklärung darüber geben können, was denn die Sonne sei oder gar ein Spektrum.
    Rings um alle vier Wände lief der Luftaustauscher. Seine Tätigkeit erfüllte vierundzwanzig Stunden am Tag den nicht sonderlich großen Raum mit tiefem, leisem Summen. Wenn man sich dicht an die Wand stellte, konnte man den leichten Zug spüren, der durch das Material hindurchdrang.
    Schließlich gab es eine kleine Waschgelegenheit, der täglich fünf Liter Wasser zur Verfügung standen. Das reichte gerade zum Händewaschen, das übrige mußte in den Gemeinschaftswaschräumen besorgt werden.
    An diesem Tage hatte Egan-Egan – neugierig, wie ein fünfjähriges Kind ist – den Teil der Wand, durch den der Luftstrom des Austauschers drang, einer intensiven Untersuchung unterzogen. SeineMutter schlief gerade. Egan-Egan, unwillig darüber, daß die Stabilität der Wand ihm den Zutritt zu den inneren Geheimnissen verwehrte, nahm sein kleines Kinderstühlchen und begann, mit den Stuhlbeinen auf die Wand zu trommeln.
    Da seine Mutter das übliche Schlafmittel genommen hatte, um von dem Lärm, der von den Straßen hereindrang, nicht gestört zu werden, wachte sie nicht auf.
    Egan-Egan verzeichnete als ersten Erfolg, daß eines der Stuhlbeine abbrach. Er erschrak zunächst darüber; aber bald stellte er fest, daß er das lose Bein viel besser handhaben konnte als vorher den ganzen Stuhl.
    Er trommelte also weiter auf die Wand los und erreichte nach einer Weile, daß sich ein Stück eines Plastiksteines daraus löste. Das übrige tat sich nahezu von selbst. Die Luft wurde von irgendwoher aus den Tiefen des Gebäudes angepumpt. Die Mauersteine der Luftkanäle waren zwar an den Stellen, an denen die Luft in das Innere der Räume vordringen sollte, besonders porös, aber die Frischluft mußte dennoch unter einem beachtlichen Druck gehalten werden, um überhaupt einen Anlaß zu spüren, durch die Steine hindurchzudringen.
    Nachdem Egan-Egan also den ersten Stein beschädigt hatte, begann die gesamte Wand zu vibrieren. Dumpfes Dröhnen erfüllte plötzlich den Raum, und bevor Egan-Egan in jäher Angst weit genug zurückspringen konnte, barst die Mauer an der Stelle, hinter der der Kanal vorbeilief, einfach auseinander, spuckte größere und kleinere Steinbrocken in das Zimmer und verletzte mit einem von ihnen Egan-Egan am Kopf.
    Egan-Egan taumelte ein wenig, wurde aber nicht bewußtlos. Fassungslos starrte er auf die geborstene Wand und fühlte den Sturmwind der Frischluft um sich herumpfeifen. Er brauchte nur kurze Zeit, um festzustellen, daß ihm nichts mehr geschah; danach gewann die Faszination die Oberhand über die Angst. Gegen den Druck des Sturms schob er sich wieder zur Wand hin und versuchte, in den Riß hineinzuschauen. Dahinter war es jedoch finster. Egan-Egan begann zu überlegen, ob er es wagen könne, in den etwa einen halben Meter breiten Riß hineinzuklettern. In diesem Augenblick jedoch regte sich seine Mutter, von dem ungewöhnten Getöse schließlich doch aus dem Schlaf gerissen, und Egan-Egan erschien der Weg durch den Spalt plötzlich als derjenige, vor dem man weniger Angst zu haben brauchte, denn die Schläge, die seine Mutter ihm im Zorn zu verabreichen pflegte, und der Entzug der nächsten Mahlzeit waren etwas durchaus Gewisses und Unbezweifelbares.
    Egan-Egan schwang sich also auf seinen dreibeinigen Stuhl, und bevor Tilda-Tilda begriffen hatte, was eigentlich vorging, war er in dem finsteren Spalt verschwunden.
    Es wurde Egan-Egan heiß auf dem Rücken, als er den schrägen Kanal hinunterschoß und sich dabei die Kleider zerriß. Aber der Kanal bog sich nach einer Weile in die Horizontale zurück, Egan-Egans Fahrt wurde langsamer und hörte schließlich ganz auf.
    Er empfand zum ersten Mal voller Schreck, daß es um ihn herum völlig finster war. Der Sturm jedoch tobte mit unverminderter Macht, und Egan-Egans verängstigte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher