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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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Fensterscheiben schepperten. Er starrte die flimmernden Muster an der Wand mit trockenen, schmerzenden Augen an.
    Sie hatten sich zum Abschied nicht einmal geküßt.
    Weil sei sich erst vor kurzem so schrecklich gestritten hatten, stand auch an jenem Morgen noch eine unangenehme Spannung zwischen ihnen. Carole wollte unbedingt ein paar Tage zum Einkaufen nach Dallas fliegen. Am Flughafen war noch Zeit für eine Tasse Kaffee.
    Mandy tropfte ein bißchen Orangensaft auf ihr Kleid, und Carole reagierte viel zu heftig. Als sie aus dem Café gingen, versuchte sie, den Fleck von Mandys zerknittertem Rock zu reiben, und schimpfte mit ihr, weil sie so unvorsichtig gewesen war.
    »Mein Gott, Carole, man kann den winzigen Fleck ja kaum erkennen«, sagte Tate.
    »Ich sehe ihn schon.«
    »Dann schau eben nicht so genau hin.«
    Sie warf ihrem Mann daraufhin diesen mörderischen Blick zu, der ihn schon lange nicht mehr verärgerte. Dann trug er Mandy
bis zum Abflugterminal und unterhielt sich dabei mit ihr darüber, was für aufregende Dinge sie in Dallas sehen und tun würde. Beim Ausgang kniete er sich vor sie und drückte sie an sich. »Viel Spaß, Süße. Bringst du mir was mit?«
    »Darf ich, Mami?«
    »Sicher«, antwortete Carole abwesend.
    »Sicher«, erklärte ihm Mandy mit einem breiten Lächeln.
    »Darauf freue ich mich.« Er umarmte sie noch einmal zum Abschied.
    »Komm nicht zu spät, um uns abzuholen«, rief Carole noch, während sie Mandy durch den Ausgang zerrte, wo ein Angestellter der Fluggesellschaft darauf wartete, ihre Bordkarten entgegenzunehmen. »Ich hasse es, auf dem Flughafen warten zu müssen.«
    Kurz bevor sie in dem Durchgang zum Flugzeug verschwanden, drehte sich Mandy noch einmal um und winkte ihm zu. Carole würdigte ihn keines Blickes mehr. Selbstsicher und zielbewußt ging sie zur Maschine.
    Vielleicht war das der Grund, warum dieses eine Auge jetzt so ängstlich wirkte. Die Grundlage von Caroles Selbstvertrauen – ihr gutes Aussehen – war ihr vom Schicksal genommen worden. Sie haßte alles Häßliche. Vielleicht hatten ihre Tränen gar nicht jenen gegolten, die beim Absturz umgekommen waren, wie er ursprünglich angenommen hatte. Vielleicht wünschte sie sich, sie wäre gestorben, statt entstellt zu sein, auch wenn es nur vorübergehend war.
    Bei Carole würde ihn das nicht überraschen.
     
    In der Rangordnung der Helfer des Leichenbeschauers im Landkreis Bexar war Grayson der unterste. Deswegen überprüfte er mehrmals seine Informationen, bevor er sich mit seiner verwirrenden Entdeckung an seinen direkten Vorgesetzten wandte.
    »Haben Sie kurz Zeit?«
    Ein erschöpfter, mißgelaunter Mann mit Gummischürze und Handschuhen warf ihm einen finsteren Blick über die Schulter zu. »Was hatten Sie sich vorgestellt – eine Runde Golf?«
    »Nein, ich habe das hier.«
    »Was?« Der Vorgesetzte wandte sich wieder seiner Arbeit an dem schwarzen Haufen zu, der einmal ein Mensch gewesen war.
    »Der zahnmedizinische Bericht von Avery Daniels«, sagte Grayson, »Fall Nummer siebenundachtzig.«
    »Sie ist schon identifiziert und obduziert worden.« Der Vorgesetzte warf einen Blick auf die Liste an der Wand, um ganz sicherzugehen. Ihr Name war mit einer roten Linie durchgestrichen. »Ja, genau.«
    »Ich weiß, aber –«
    »Sie hatte keine lebenden Verwandten. Ein enger Freund der Familie hat sie heute nachmittag identifiziert.«
    »Aber dieser Bericht –«
    »Hör zu, junger Mann«, sagte der Vorgesetzte streng. »Ich habe Körper ohne Köpfe, Hände ohne Arme, Füße ohne Beine. Und die da oben wollen, daß ich bis heute abend fertig bin. Wenn also jemand schon sicher identifiziert ist, dann nerv mich nicht mit Berichten, okay?«
    Grayson steckte die Röntgenaufnahmen zurück in den Umschlag, in dem sie angekommen waren, und ließ sie in Richtung Papierkorb segeln. »Von mir aus. Alles klar. Leck mich doch!«
    »Kein Problem. Sobald wir diese ganzen verkohlten Typen hier identifiziert haben, jederzeit.«
    Grayson zuckte mit den Schultern. Er wurde schließlich nicht dafür bezahlt, Dick Tracy zu spielen. Wenn sich sonst keiner um diese seltsamen Unstimmigkeiten kümmerte, warum sollte er es dann tun? Er machte sich wieder daran, zahnärztliche Berichte mit den Leichen zu vergleichen, die noch nicht identifiziert waren.

KAPITEL 3
    Es sah so aus, als ob das Wetter auch in Trauer wäre.
    Am Tag von Averys Beerdigung regnete es. In der vergangenen Nacht waren heftige Gewitter über das Hügelland von
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