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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft
Autoren: Maxi Buhl
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Weltuntergangsfantasien. »Aber bevor es so weit ist, gönnen wir uns einen gepflegten Apocalisse «, schlug sie vor.
    »Hört sich nach Apokalypse an. Müssen wir uns das antun?«, zögerte ich.
    »Natürlich. Das hat Stil. Außerdem schmeckt dieser Cocktail himmlisch. Ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, egal ob wir absaufen oder nicht.«
    Es stimmte. Dieser feinherbe Apocalisse war eine Erholung nach dem ganzen moussierenden Gesöff. Von Lebenskunst verstand meine Süße was, im Gegensatz zu mir. Wahrscheinlich lag darin das Geheimnis unserer Anziehungskraft. Ich sah bereits den nächsten Trinkerratgeber entstehen: Von Apocalisse bis Zahmer August – Cocktails für Lebenskünstler, während Rosi mich mit spannenden Storys aus ihrem Polizeialltag wach hielt. Sie arbeitet in der Spurensuche, und ich verschwieg ihr meine bisherigen Vorbehalte gegenüber ihrer Zunft. Auch das war Schnee von gestern. Die Liebe versöhnt uns mit unseren Vorurteilen. Gegen Morgen sank mein Kopf auf den Tisch. Total struck. Anziehungskraft hin oder her, ich war bis an die Kiemen abgefüllt.
    »Komm, lass uns vor dem Schlafen noch kurz nach draußen gehen, der Sturm flaut schon ab«, schlug Rosi vor. »Wer weiß, ob er noch da ist, wenn wir wieder aufwachen. Wär doch schade um das tolle Erlebnis, jetzt, da wir wissen, dass wir nicht seekrank werden.«
    Ich wehrte mich nicht, ich war zu bedröhnt.
    Sie zog mich aus meiner Schräglage hoch und hinter sich her, den Rest vom Schampus nahm sie mit. »Ein letzter Schluck im Sturmgebraus, zur Stärkung«, trällerte sie unbeschwert und so taufrisch, als hätte sie die letzten Stunden in einem Inkubator zur Ozonbehandlung verbracht. Dann stemmte sie sich gegen die schwere Glastüre und lotste uns in das Inferno hinaus.

DER LETZTE SCHLUCK

    K aum hatten wir uns nach draußen gekämpft, blies mich der Wind wie ein Segel gleich wieder an die Tür zurück. »Müssen wir wirklich raus in dieses Höllenwetter?«, flehte ich an die Tür geklammert. Aber Rosi lachte nur über meine Zimperlichkeit und zerrte mich weiter. Sie kannte kein Erbarmen mit Schreibtischhengsten. Aber sie stammte ja aus München und war föhnerprobt. Aufrecht wie eine Walküre trotzte sie Thors Wüten, während ich mir fast in die Hosen machte. Ich wollte nicht weggefegt werden. Ich wollte nur noch ins Bett und an ihre rettenden Fettpolster gekuschelt bis Genua durchschlafen.
    Die Sturmböen klatschten uns garstige Regenschauer ins Gesicht. Ich tappte blind hinter meinem quietschfidelen Leuchtturm her und versuchte, meine Brille in Sicherheit zu bringen, bevor sie mir in diesem Gestöber von der Nase gefegt würde. Gut gemeint, aber zu spät. Auf den schwankenden Deckplanken glitt ich aus, griff nach einem Halt ins Leere, ließ die Brille los, fluchte, strauchelte weiter. Dann versetzte einer von jenen Brechern, wie sie angeblich nach jeder sechzehnten, siebzehnten Woge vorkommen, dem Schiff einen mächtigen Schlag, den es direkt an mich weiterleitete.
    Rosis schwärmerische Ausrufe ein paar Schritte vor mir waren das Letzte, was ich von ihr wahrnahm. Sie peilte den Bug an, wahrscheinlich sah sie uns beide schon in der Pose von Leonardo DiCaprio und Kate Winslet auf der Titanic, beide den Blick nach vorne in eine gemeinsame Zukunft gerichtet, während ich hilflos über das sturmschwarze Deck schlitterte, weg von Rosi, meiner Rettungsboje, und mich in einem anderen Film befand. In Die Höllenfahrt der Poseidon . Ein Geländer kam auf mich zugeschossen. Ich rappelte mich hoch und wollte mich daran festhalten, aber mit meiner Körperkontrolle stand es bei zwei Promille Blut im Alkohol nicht zum Besten. Irgendetwas ging schief. Vielleicht war’s eine Überdosis Schwung. Vielleicht stimmte die Peilung nicht. Jedenfalls schwirrte ich kopfüber mit einem unfreiwilligen Salto über die Reling.
    Mein finaler Gedanke: Sterben für Trinker – schade, wäre ein schöner Buchtitel gewesen. Dann schlugen die Wellen über mir zusammen. Mein letzter Schluck: ein Mund voll Salzwasser.
    PS: Man wird mir nicht glauben, doch ich überlebte den Sturz. Die Reling stellte sich nachträglich bloß als Geländer um den Swimmingpool heraus, der letzte Schluck Poolwasser war ein Dressing aus Sonnenöl, Schweiß und den Ausscheidungen inkontinenter Wasserratten. Das ist der Nachteil bei schwimmenden Altersheimen. Aber Urin soll ja Heilkraft besitzen. Jedenfalls beschleunigte er meine Magenentleerung und rettete mich vor einer
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