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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft
Autoren: Maxi Buhl
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tröstete mich meine Freundin Hanna und fügte hinzu: »Bei uns ist es auch nicht viel besser. Noch ein solcher Wohnwagenurlaub, und meine Eltern sind geschiedene Leute! Hoffentlich verkaufen sie die Karre vor den Herbstferien!«
    Wohnwagen? Verkaufen? Ideen braucht der Mensch, wenn Gebete und Zauberei versagen! Bis ich Papa von meinem Vorhaben überzeugt hatte, glühte die Leitung zwischen Brünn und München.
    »Ein Wohnwagen, so eine Pest. Das hat mir gerade noch gefehlt!«, stöhnte er auf. Im Auto schimpft er immer auf die Wohnwagenfahrer, wenn sie den Verkehr behindern.
    »Eben!«, sagte ich. »Ein Dach überm Kopf. Das fehlt uns.«
    Der Wohnwagen brachte uns die Wende. Er steht seitdem auf einem Dauerstandplatz isarabwärts, im Winter verwandelt sich die Wiese in einen Morast. Anfangs war Vater sehr im Zweifel, ob er gut daran getan hatte, sich von uns überreden zu lassen. »Lauter Grattler, lasst euch nicht mit diesen Leuten ein!«, murrte er, als er unser Schneckenhaus an gaffenden Dauercampern in Trainingsanzügen vorbeilenkte, es aufbockte und die Anschlüsse installierte. Schon am ersten Sonntag musste er beim Nachbarwohnwagen um Streichhölzer und Klopapier anklopfen.
    Mit Erbsensuppe im Bauch und dem Kopf voller Geschichten über das freie Leben hier draußen verließen wir diese Leute, die wie alle anderen am Platz bald unsere Freunde werden sollten. Es sind kauzige Typen, Eigenbrötler, Rentner, Lebenskünstler, Gestrandete – eine bunt gemischte Gemeinschaft, die jeden Neubürger herzlich in ihrer Mitte aufnimmt. Wenn Vater gefürchtet hatte, es könne uns langweilig werden in so einem engen Käfig – es hätte kurzweiliger nicht sein können. Während der Regen auf die Vorzelte trommelte und der Wind gegen die Planen drückte, hockte man nachbarschaftlich vereint in der guten Stube und pokerte gegen das Wetter an. Bei trockener Witterung spielten die einen Fußball, und die anderen grillten, und die Frauen hängten die Wäsche auf, und die Kinder führten sich ihre Gaunertricks vor, und ich ließ mich von einer ausrangierten Akrobatin in die Kunst des Jonglierens einweihen.
    Florian und ich verbrachten bald jeden schulfreien Tag da draußen. Mit und ohne Papa, an Familie fehlte es nie. Wir lebten das wilde, abenteuerliche Leben von Flusspiraten und Cowboys, von Banditen und Gesetzlosen. Dabei lernten wir alles, was man als Schüler so dringend braucht: Geheimsprachen, Codeknacken, Spurenlesen, Bauchreden, Kartentricks und noch andere Sachen, die ich besser nicht verriet, sonst hätte Mutter kurzen Prozess mit uns gemacht. Sie wollte, dass ich Lehrerin würde wie sie, weil man dann Zeit hat, nachmittags in seinem Garten Unkraut zu jäten. Vater sah das anders. Das ist das Gute an geschiedenen Eltern. Sie sind nicht mehr einer Meinung, wenn es um die Kinder geht.
    »Was macht euch am meisten Spaß?«, ging er das Thema Berufswahl an. »Codeknacken«, sagte Florian, »Spurenlesen«, ich.
    »Nicht übel«, lautete seine Meinung dazu. »Damit kann man es weit bringen. Aber nur, wenn ihr schlauer seid als die anderen. Schafft ihr das?«
    »Logisch.« In dem Punkt waren sich Florian und ich einig.
    »Dann zeigt, was ihr könnt!« Er flüsterte jedem von uns eine Aufgabe ins Ohr, eine echte, wirkliche Aufgabe, nicht so’n Computerspielkram, wo man nur den nächsten Level erreichen kann.
    Drei Wochen später hatten wir es geschafft. Wie und was, bleibt natürlich unser Berufsgeheimnis. Nur so viel: Mutters Gentleman ließ sich nie wieder bei uns sehen. Er hatte noch andere Freundinnen, und er war ein Steuerbetrüger. Was Spurenleser und Codeknacker alles ans Licht bringen können, ist grandios. Mutter jagte ihn mit Schimpf und Schande aus dem Haus. Dann stürzte sie sich tagelang in die Gartenarbeit, um ihren Frust abzureagieren.
    »Mit den Männern hab ich abgeschlossen«, vertraute sie ihrer Freundin an. Na ja, so ganz dann doch nicht. Gelegenheit macht Liebe, heißt es. Papa hielt die Gelegenheit für günstig, sie ab und an zum Essen auszuführen. So etwas gefällt ihr. Wahrscheinlich hätte sie ihn zu Hause wieder aufgenommen. Dann wäre alles beim Alten gewesen. Papas Schlendrian, Mamas Ordnungswut, Streit, dicke Luft und ich zwischendrin, um wieder mal Melanie zu beneiden. Aber Papa war nicht umsonst ein Meister der Zahlen. Vier von fünf Frauen seien am glücklichsten, verriet er uns, mit einem Mann, der sie einmal pro Woche ausführe, zweimal pro Woche die Nacht mit ihnen verbringe, dreimal pro
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