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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen
Autoren: Edith Kneifl
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kleinen, weichen Schwanzes beginne ich wieder zu lachen, ich kann mich einfach nicht beherrschen, lache laut und höhnisch, und plötzlich fällt mir auch ein passendes Liedchen ein: »Schöner Gigolo, armer Gigolo ...«
    Als er den Gürtel aus dem Bund seiner Hose zieht, vergeht mir das Lachen. Nun weiß ich, was mir bevorsteht. Ich schreie, noch bevor mich der erste Schlag trifft.
    Er schlägt blind drauflos, knallt mir die Gürtelschnalle ins Gesicht. Nun wird sich auch das andere Auge blau verfärben.
    Blut tropft auf das Laken. Ich begreife zuerst nicht, daß es mein eigenes ist. Als es mir bewußt wird, beginne ich kräftig zu fluchen.
    Bruno scheint meine Verzweiflung sehr zu genießen. Das seltsame Strahlen ist in sein Gesicht zurückgekehrt. Während er immer heftiger auf mich einschlägt, kichert er leise vor sich hin.
    Mein Körper bäumt sich unter den wuchtigen Hieben auf. Ich höre auf zu schreien und stelle mich tot. Doch als sich sein lächerlicher Schwanz meinem Hintern nähert, beginne ich wieder laut und hysterisch zu kreischen, kreische mir die Seele aus dem Leib.
    Seine Hände klammern sich um meinen Hals. Ich spüre seinen stinkenden Atem in meinem Gesicht. Der Druck seiner Finger wird stärker, mein Gekreische schriller, bald jedoch leiser und verzweifelter.
    Ich starre in den Spiegel über dem Bett, sehe zu, wie sich mein Gesicht verfärbt und meine Augen immer größer und größer werden. Sie scheinen zu groß für mein Gesicht. Tränen rinnen über meine Wangen, zerstören mein kunstvolles Make-up. Das Gesicht im Spiegel ist nicht mehr mein Gesicht. Ich vergrabe es im Kissen.
    Ein lauter Knall. Ich fürchte, daß mein Trommelfell geplatzt ist. Aber Bruno scheint den Knall auch gehört zu haben. Der Druck seiner Finger wird schwächer. Und plötzlich spüre ich seinen Körper nicht mehr auf mir. Vorsichtig drehe ich den Kopf nach links.
    Als Enrico nach ein paar Minuten zurückkommt, sieht er wieder ganz frisch aus und torkelt auch nicht mehr wie ein Betrunkener.
    Sie begrüßt ihn mit einem Rilke-Zitat, das sie sich ins Gedächtnis gerufen hat, während er auf der Toilette war.
    »Er wußte nur vom Tod, was alle wissen:
    daß er uns nimmt und in das Stumme stößt
.
    Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen
,
    nein, leis aus seinen Augen ausgelöst ...«
    Enrico schenkt ihr einen überraschten Blick und fährt fort:
    »... da wurden ihm die Toten so bekannt
,
    als wäre er durch sie mit einem jeden
    ganz nah verwandt; er ließ die anderen reden ...«
    »Sie mögen Rilke?«
    » ›Der Tod der Geliebten‹ ist mein Lieblingsgedicht. Aber ich kann fast alle seine Gedichte auswendig.«
    »Ja, was man in der Schule lernt, merkt man sich fürs Leben. Ich mag an sich überhaupt keine Lyrik, alles schwülstiges Zeug, vor allem die deutschen Dichter sind mir ein Greuel.«
    Er bietet ihr eine Zigarette an. Sie greift zu, läßt sich von ihm Feuer geben.
    Auch er zündet sich jetzt eine an, raucht sie aber nur bis zur Hälfte und steckt den abgedämpften Stummel zurück in die Schachtel.
    »Wie können Sie nur so arrogant sein? Ich habe mich in meiner Jugend immer danach gesehnt, eines Tages diese wunderbaren deutschen Dichter im Original lesen zu können. Zum Glück habe ich zwanzig Jahre Zeit gehabt hat, alles nachzuholen oder besser gesagt nachzulesen, was ich in meiner Jugend versäumt habe.« Und in seiner Stimme schwingt Leidenschaft mit, als er ihr nicht nur von Umberto Saba, Italo Svevo und James Joyce vorschwärmt, sondern auch die großen deutschen Dichter verteidigt. Immer wieder zitiert er Heinrich Heine und Rainer Maria Rilke.
    »Ich habe Tote, und ich ließ sie hin
    und war erstaunt, sie so getrost zu sehn
,
    so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht
    so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst
    zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst
    an etwas stoßen, daß es klingt von dir
    und dich verrät ...«
    Sie hört ihm mit halboffenem Mund zu.
    Schließlich hält er erschöpft inne. Auch sie schweigt. Und er spürt, wie sich auf einmal so etwas Ähnliches wie Verlangen in ihm regt. Jahrelang hat er sich nicht mehr vorstellen können, daß sein Körper überhaupt noch zu solchen Regungen fähig ist. Überrascht mustert er diese schöne, blonde Frau, die er plötzlich so anziehend findet.
    Vielleicht ist ihr Haar etwas zu blond, auch Nase und Mund sind eine Kleinigkeit zu groß, um wirklich schön zu sein, und daß ihre Waden etwas zu dick und ihre Fesseln zu zart sind, hat er vorhin schon
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