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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Syburg hinauffuhr.
    »Bromscheidt scheint ja viel Geld zu haben«, meinte Marie. »Das noble Haus, der dampfende Pool, das riesige Grundstück …!«
    »Vielleicht hat er von Haus aus Geld«, sagte Stephan.
    »Was hältst du von dem Projekt?«
    Stephan zuckte mit den Schultern. »Es hört sich interessant an. Aber ich weiß noch immer nicht, wie er es konkret umsetzen will. Wie soll man die Namen von Richtern oder von Prozessen kennen, die keine Schlagzeilen gemacht haben? Die weitaus meisten Fälle finden in den Medien keine Erwähnung. Wenn sich dort Ungerechtigkeiten verstecken, wird man sie kaum auffinden. Aber Bromscheidt wirkt sehr entschlossen. Ich verstehe nur nicht, warum er sich gerade von Löffke so viel verspricht. Wenn ich jemanden für ein wissenschaftliches Projekt suchen würde, bei dem es auf fundierte und detaillierte Arbeit ankommt, fiele mir Löffke als Letzter ein.«
    »Ich habe eher den Eindruck, dass Bromscheidt an Frodeleit Gefallen gefunden hat«, sagte Marie. »Es war ein schöner Zufall für ihn, über Löffke an ihn herangekommen zu sein. Aber ich mag Frodeleit nicht. Er ist ein glatter Karrierist. Der ROLG wird zum VROLG«, frotzelte sie. »Hat Löffke dir gegenüber schon mal von ihm erzählt?«
    »Löffke schwärmt gern von Frodeleit«, wusste Stephan. »Er ist sein Spezi. Die beiden sind ganz dick miteinander. Aber ich habe ihn vorher nie gesehen.«
    »Dass die so miteinander können!«, wunderte sich Marie. »Löffke ist doch ein ganz anderer Typ. Und dass die Frauen miteinander auskommen, verstehe ich auch nicht. Dörthe Löffke scheint ja ganz nett zu sein. Aber diese Verena gefällt mir überhaupt nicht.«
    »Sie ist sehr darauf aus, die Karriere ihres Mannes zu unterstützen«, erwiderte Stephan.
    »Ich finde, wir sollten an dem Projekt nicht mitarbeiten, Stephan. Es geht im Zweifel um sehr viel Arbeit, die letztlich an uns hängen bleiben wird. Löffke und Frodeleit werden sich mit den Früchten der Arbeit schmücken, aber in der Sache nicht viel tun wollen. Löffke, weil er für solche Arbeit zu faul ist, und Frodeleit, weil er nicht in den Karrieren anderer Richter rumschnüffeln und Dinge zutage fördern will, die seinem Fortkommen hinderlich sind. Und der kleine Vorteil für mich ist es nicht wert. Und dir hilft das Projekt auch nicht, Stephan! Du hast Löffke doch längst durchschaut. Dass es mit ihm keine berufliche Zukunft gibt, weißt du doch längst.«
    Stephan nickte. Natürlich hatte Marie recht. Und sicher ahnte sie, dass er sich damit schwertat, die Kanzlei zu verlassen, die auch seinen Namen trug und ihm immerhin ein stattliches Einkommen bescherte. Allen Auseinandersetzungen mit dem Rivalen Löffke zum Trotz: Die Arbeit machte Stephan immer noch Spaß. Löffkes ständige plumpe Anfeindungen sowie sein unverhohlener Neid auf die deutlich jüngere und hübschere Marie, seine aus Missgunst geborenen Intrigen, das alles unterlag im Laufe der Zeit einem Abstumpfungsprozess. Löffkes Verhalten war kalkulierbarer geworden, und Stephan hatte allmählich in gewisser Weise sogar Freude daran gefunden, seinen Widersacher zu provozieren und auflaufen zu lassen. Ja, ein schlauer Psychologe würde vielleicht den Spieß sogar umdrehen und behaupten, dass er Löffke durchaus mochte und die Auseinandersetzungen zwischen ihnen ohnehin nur von kurzer Dauer und am nächsten Tag vergessen waren.
    »Wir sollten zunächst dabeibleiben«, entschied er, und Marie schwieg daraufhin.
     
    Kurz bevor sie die Innenstadt erreicht hatten, überholte Stephan Bromscheidts Auto und parkte sein Auto vor Maries Haus, bevor sie in den weißen Van umstiegen.
    Löffke schilderte gerade wortreich, dass er sein Geschäftsergebnis in diesem Jahr noch einmal steigern wolle, Marie verdrehte überdrüssig die Augen. Stephan setzte sich mit ihr ganz nach hinten und hielt still ihre Hand. Er wusste, dass Marie Männer vom Schlage eines Hubert Löffke niemals würde ertragen können. Er hingegen konnte einen solchen Menschen aushalten. War er toleranter als Marie oder war sie nur ehrlicher und geradliniger?
     
    Bromscheidt parkte am Hinterausgang des Hauptbahnhofes. Von hier aus waren es nur wenige Schritte bis zu der in der Nazizeit berüchtigten Alten Steinwache, doch als sie sich auf den Weg dorthin machen wollten, schien Bromscheidt eine andere Idee zu kommen: »Ich würde Ihnen vorher gern noch einen anderen ungewöhnlichen Ort zeigen, den ich ebenfalls in das Projekt mit einbeziehen möchte.«
    Auf
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