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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Frodeleits Nachfrage legte Bromscheidt bedeutungsvoll seinen Zeigefinger auf die Lippen und sagte nur: »Lassen Sie sich überraschen! – Es ist nicht weit von hier. Folgen Sie mir einfach! Ich verspreche Ihnen nicht zu viel. Es sind nur wenige 100 Meter.« Mit diesen Worten eilte er durch den Fußgängertunnel im Hauptbahnhof voraus, dass sie Mühe hatten nachzukommen, verließ das Gebäude durch den vorderen Eingang, stieg die gegenüberliegende Freitreppe hoch und bat sie, ihm in die Schmiedingstraße zu folgen, wobei er sich mehrfach umdrehte und mantramäßig immer wieder rief »Es ist nicht weit!«
    Schließlich blieb er vor einer unscheinbaren Stahltür stehen und fingerte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche.
    »Wozu Sie alles Schlüssel haben«, staunte Löffke. »Ich fragte mich schon, wie Sie um diese Uhrzeit in die Alte Steinwache gelangen wollten. Es ist jetzt fast zehn. Die Stadt ist ja schon wie ausgestorben.«
    »Ich habe bereits reichlich vorgearbeitet«, erklärte Bromscheidt. »Es hat schon viele Gespräche mit städtischen Stellen gegeben: mit dem Kulturbüro, dem Ordnungsamt und anderen mehr. Das Projekt ist, wenn man so will, längst in der Umsetzung. Und somit verfüge ich auch über viele Schlüssel. – Jetzt aber«, er schloss die graue Stahltür auf, »folgen Sie mir bitte in eine andere Welt.«
    Er hielt die geöffnete Tür fest, betätigte innen einen auf dem Putz montierten Lichtschalter und wartete, bis Neonröhren mit ihrem kalten Licht aufflackerten.
    Löffke trat ein, zögerte und blieb überrascht stehen. »Das Treppenhaus führt ja nach unten.«
    »Ja, das haben Sie richtig beobachtet«, lächelte Bromscheidt. »Jetzt kommen Sie erst mal rein!«
    Nun betraten auch Dörthe und die Frodeleits und nach ihnen Stephan und Marie den kleinen staubigen Vorraum.
    »Wo sind wir?«, fragte Dörthe.
    »Ich mache es noch spannend«, vertröstete Bromscheidt die Gruppe geheimnisvoll und schloss hinter ihnen die Tür.
    Sie standen auf einem kleinen Podest, von dem aus eine Stahltreppe nach unten führte. Bromscheidt zog sein Handy aus der Tasche und legte es auf einen kleinen seitwärts stehenden, schlichten Holztisch.
    »Bitte legen Sie Ihre Handys neben meines«, sagte er. »Wir besichtigen jetzt ein Stück der Dortmunder Unterwelt. Man darf dort keine elektrischen Geräte bei sich haben, weil die Elektronik Gase entzünden könnte.«
    »Gase?«, wiederholte Verena schrill.
    Bromscheidt wehrte beschwichtigend ab: »Bitte, es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme und eine Auflage der hiesigen Feuerwehr. Legen Sie die Geräte einfach ab! Man kann unten ohnehin nicht telefonieren. Wir kommen gleich hierhin zurück. Es passiert nichts!«
    »Was denn für Gase?«, fragte Verena weiter.
    »Es ist wie im Bergwerk«, sprang Löffke ein. »Da darf man auch keine Handys mitnehmen. – Müssten wir aber nicht auch Helme tragen?«
    »Müssten wir«, nickte Bromscheidt. »Aber wir gehen einfach so nach unten. – Es passiert nichts«, wiederholte er.
    »Sagen Sie: Geht es hier zur Hitler-U-Bahn?«, erkundigte sich Löffke. »Ich habe gehört, dass es in Bahnhofsnähe diesen Tunnel geben soll. – Ist es dieser Tunnel?«
    Seine Augen leuchteten erregt.
    »Sie sind auf der richtigen Spur«, blieb Bromscheidt unbestimmt.
    »Ich weiß nicht, wovon die Rede ist«, sagte Frodeleit. »Hubert, was meinst du mit der Hitler-U-Bahn?«
    »Der Tunnel hat mit der heutigen U-Bahn nichts zu tun. Soweit ich weiß, gibt es unter der Stadt Bunkeranlagen in Form langer Tunnel, die teilweise schon vor dem Zweiten Weltkrieg angelegt wurden. Der Bevölkerung wurde erzählt, es seien Tunnel für eine spätere U-Bahn. Aber in Wirklichkeit waren die Anlagen Schutzräume für die Menschen im Bombenkrieg.«
    »Sie wissen viel, Herr Löffke«, staunte Bromscheidt und vergewisserte sich, dass alle Handys auf dem Tisch lagen.
    »Folgen Sie mir nach unten«, rief er. »Ich erkläre Ihnen unten mehr.«
    Er nahm einen Stoffbeutel mit klobigen Taschenlampen vom Tisch und ging voran.
    Der Weg führte über eine Stahltreppe in einem engen Schacht weiter nach unten. Ihre Schritte hallten auf den eisernen Stufen mit einem unheimlichen metallischen Klang nach. Die trockene Luft roch abgestanden. Die in etlichen Metern Abstand voneinander auf den nackten Beton montierten Neonröhren erleuchteten den Schacht nur notdürftig. Im kalten Lichtschein traten die Schalreste wie dicke, auf den Wänden klebende Narben hervor.
    »Wir sind jetzt rund 15
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