Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest
Autoren: Philipp Espen
Vom Netzwerk:
des Gesichtes, Schwerhörigkeit, Kopfsausen und Hautjucken seien die Folge. Nach einer Liebesnacht, schrieb er, sei Wasser immer gefährlich, denn es verursache dann Herzrasen und Schweißausbrüche.«
    »Empfahlen arabische Ärzte nicht auch kalte Bäder als Vorbeugung gegen Seuchen?«, fragte Joshua.
    »Das stimmt. Und Dampfbäder nach einer Krankheit. In Cordoba gibt es deshalb fast siebenhundert Bäder, üppige Dampfbäder! Ich besuche zwei davon so oft ich kann.«
    »Ich habe solche Bäder in Palästina kennen gelernt«, sagte Henri. »Uthman und ich besuchten sogar eines gemeinsam.«
    »Das stimmt«, erinnerte sich der Sarazene.
    »Wir Templer verstanden sofort, wie hoch entwickelt die arabische Kultur war. Und wir haben viel daraus gelernt, so viel, dass man uns in der Heimat schließlich vorwarf, mehr Verständnis für den Feind als für die eigene Kultur zu haben. Man unterstellte uns, mit den Sarazenen zu paktieren gegen die christliche Kirche. Aber das waren natürlich alles Verleumdungen.«
    »Es war anders«, erklärte Uthman. »Ihr Kreuzfahrer wohntet im Heiligen Land zum ersten Mal in eurem Leben in kühlen, steinernen Häusern! In der Heimat habt ihr in Holzhütten gehaust!«
    »Na, na! Auch bei uns gab es damals schon Burgen, Schlösser und Tempel!«
    »Für die Reichen und Mächtigen! In Arabien wohnt aber auch das einfache Volk schon lange in Steinhäusern, die sogar Innenhöfe mit Brunnen und Fontainen aufweisen!«
    »Da hast du allerdings Recht. Und unser Erstaunen war groß, als wir solche Häuser sahen. Plätschernde Wasserspiele, Wasserleitungen und warmes Wasser in Fußbodenleitungen. Glas blitzte in den Fenstern, während wir zu Hause im Winter die Fensterlöcher mit geölter Leinwand, Fellen oder Holzläden verschlossen. Wir sahen bunte Mosaike, weiche Teppiche, fein geschnitzte Möbel und hauchdünnes Geschirr. Auf den Märkten gab es beste Damaszener Stahlwaren, schillernde Seide, Chiffon, Damast. In den Auslagen verführten uns Orangen und Datteln, Feigen und Mandeln, Nüsse und Honig. Und dann die Wohlgerüche! Ingwer, Muskat, Salbei, Nelken, Thymian, Rosmarin. Und immer wieder das kostbare Wasser! Wasser in jeder Form!«
    »Wer so begeistert erzählt, hat wirklich einiges von uns übernommen!«, feixte Uthman.
    »Das ist kein Geheimnis«, sagte Henri. »Ich schätze ja auch dich, du ungläubiger Heide!«
    Alle lachten. Sogar Sean fiel laut ein.
    »So hat unsere Begegnung allen genutzt«, ergänzte Joshua. »Wir machten aus einer kriegerischen Wallfahrt und allen Schlachten etwas, das man Versöhnung der Kulturen nennen kann. Und darauf kommt es schließlich an. Die Menschen, die unter diesem Himmel leben, begegnen sich, um voneinander zu lernen.«
    Die anderen stimmten zu. Und dann ritten sie weiter.
     
     
    Je näher sie Notre-Dame kamen, dem Ort, der auf einer Flussinsel lag und dem Wasserwunder nachgesagt wurden, desto sicherer waren die Gefährten, dass sie die Pest endlich hinter sich gelassen hatten. In keinem Dorf, durch das sie kamen, fanden sie Anzeichen für die Krankheit. Die Menschen lebten ein unbeschwertes Leben, jetzt, wo der Frühling in den Sommer überging. In einem kleinen Weiler an einem Waldrand sahen sie allerdings an einem Nachmittag zwei Kranke, die auf einem Holzkarren zu einem Arzt transportiert wurden. Henri wollte sie sich aus der Nähe anschauen. Sean riet allerdings davon ab. Schließlich ritt Uthman auf den Karren zu.
    Er sah, dass es sich bei den Erkrankten um zwei Jungen handelte, die Pusteln im Gesicht hatten. War es Aussatz oder sogar Schlimmeres? Der Bauer, der die Kranken transportierte, erklärte:
    »Sie haben es seit heute Nacht. Ihr ganzes Gesicht und der Hals tun weh, als hätte man ihnen eine Tracht Prügel verabreicht.«
    »Sie leiden unter einer Krankheit, die man Mumps nennt«, erklärte Uthman den Gefährten, als er zurückkam. »Eine Krankheit, die in der Regel nur junge Leute befällt. Sie ist völlig harmlos, wenn auch schmerzhaft.«
    Erleichtert ritten die Freunde weiter.
    Am Abend erreichten sie einen Ort, in dem es eine Judengemeinde geben sollte. Obschon es hier viele Steinhäuser gab, wohnten die Juden, wie sie bald erkannten, in farblosen Holzhütten mit Schilfdächern. Das trostlose Bild wurde allerdings durch üppige Gärten aufgehellt, in denen vieles blühte, und durch riesige Schafherden, die auf den nahe gelegenen Wiesen weideten.
    Die Gefährten machten vor einem der jüdischen Behausungen Halt und saßen ab. Ein alter,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher