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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest
Autoren: Philipp Espen
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Sorge, dass diese… diese Seuche von Westen her auch zu uns kommen könnte.
    Wir haben natürlich gehört, dass sie dort ausgebrochen ist. Aber glücklicherweise scheint sie sich nicht weiter verbreitet zu haben. Gott sei gelobt! Hier bei uns ist bis zu diesem Tag kein Fall bekannt geworden. Um uns macht der Trübsinn eben einen großen Bogen.«
    »Lachen hilft gegen viele Krankheiten«, meinte Sean. »Das habe ich zumindest einmal irgendwo gehört.«
    »Dann lacht und trinkt und esst, bis ihr platzt!«, dröhnte der Wirt. »Und geht in die Badestube!«
    »Warum eigentlich nicht?«, fragte Uthman. »Wir haben schon lange nicht mehr gebadet. Wir stinken wie die Füchse!«
    »Na, so schlimm ist es nicht!«, meinte Joshua. »Aber geht nur. Ich werde jedoch verzichten. Wir Juden reinigen uns nicht in aller Öffentlichkeit. Wir steigen tief in die Erde hinab, um es allein zu tun.«
    Henri erhob sich und reckte die Glieder. »Ich nehme den Vorschlag gerne an. Und wie ist es mit euch, Uthman und Sean?«
    »Ich komme mit«, sagten beide gleichzeitig. Und damit war es beschlossen.
    »Geht zum Bader«, empfahl der Wirt. »Er ist der Pächter der Badestube und besitzt das Vogteirecht. Er macht ein gutes Geschäft damit, aber wie gesagt: Heute ist alles frei.«
    Die Gefährten ließen sich vom Bader, einem dicken, unrasierten Mann mit scharfen Augen, einweisen. Das Badehaus war erfüllt von lauten Stimmen, zu vereinzeltem Gesang. Die Gefährten sahen auch ein tanzendes Paar. Zwei Männer stießen mit Weinbechern an. In einer Ecke lag ein bekleideter Mann, der schlief.
    Die beiden nebeneinander liegenden Badestuben waren gut besucht, Frauen befanden sich in der linken Stube, Männer in der rechten; die Kinder blieben bei den Frauen. Abgesehen von den weißen Kopfbedeckungen aus Stoff waren die Badenden nackt. Das Wasser wurde ohne Unterlass mit Scheffeln herangebracht und in großen Kesseln erhitzt. Dampf, der durch Erhitzen großer Steine entstand, wallte auf. Ein Badegehilfe mit einem Lendenschurz begoss die Steine regelmäßig mit Kräutersud.
    Die drei Neuankömmlinge entkleideten sich in einem Vorraum. Sie bewunderten gegenseitig ihre kräftigen Körper und die starke Männlichkeit – sie hatten sich noch niemals nackt gesehen.
    Das Gesinde duschte die Gefährten mit lauwarmem Wasser ab und händigte ihnen Badetücher aus, die sie über den Rand des großen, runden Holzbottichs hängten, der mitten in der Badstube stand. Dann stiegen sie hinein.
    Von nebenan war das Kreischen von Frauen zu hören. Die drei Gefährten blickten sich in dem großen Waschzuber um und sahen ringsum zufriedene Gesichter. Die meisten Badenden saßen mit geschlossenen Augen da, einige ließen sich von Bademägden mit Laubbüscheln über die nackten Oberkörper streicheln. Ein alter Mann spielte auf einer Flöte. Außerhalb des Bottichs behandelte der Bader so manche alte Wunden und Furunkel, drückte Pickel aus und massierte die Leiber.
    Henri und Sean genossen das Bad. Uthman hielt es allerdings nicht lange in dem heißen Wasser aus und legte sich auf eine der terrassenförmig aufgereihten Bänke neben dem Waschgefäß.
    Hier waren Bademädchen am Werk. Sie trugen weit ausgeschnittene Hemden, die bis zu den Knöcheln reichten. Mit Quasten rieben sie die Gäste ab, übergossen sie mit wohlriechender Lauge und schäumten den ganzen Körper mit Seife ein. Uthman ließ sich die Haare scheren. Ein junges, dralles Mädchen, dessen Brüste dem Badegast gefährlich nahe kamen, übergoss ihn mit kaltem Wasser. Uthman prustete und sprang auf. Er fühlte sich wie neugeboren.
    Nun stiegen auch Henri und Sean aus dem Bottich. Sie erhielten die gleiche wohlige Behandlung wie Uthman. Henri ließ sich den Bart stutzen, der in den letzten Wochen wild gewuchert war. Sean wagte während seiner Behandlung nicht, dem Mädchen, das sich um ihn kümmerte, in den Ausschnitt zu blicken. Er fürchtete, seine Männlichkeit könnte auf eine Weise reagieren, die nicht mit seinen Gefühlen in Einklang stand. Denn er trauerte noch immer aufrichtig um Angélique. Die Erinnerung an sie verblasste nicht im Geringsten.
    Ein Badegast sang: »Es baden am Montag die Trunkenen, am Aftermontag die Reichen, am Mittwoch die Witzigen, am Donnerstag die Kranken, am Freitag die Ungehorsamen und am Samstag die Hochwürdigen.« Die anderen Gäste applaudierten.
    »Welchen Tag haben wir heute?«, fragte Sean.
    »Freitag«, erwiderte Henri. »Aber ist man ungehorsam, weil man lacht und sich
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