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Treibland

Treibland

Titel: Treibland
Autoren: Till Raether
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kalt. Finzi kicherte.
    «Von Behling und Jurkschat gestern Nacht. Würde mich nicht wundern, wenn da noch ’ne Kippe drin ist.»
    «War ja klar», sagte Danowski und sehnte sich nach dem Aktenzimmer und der Asservatenkammer im Revier an der Stresemannstraße. «Und was machen wir?»
    «Okay», sagte Finzi, der inzwischen auf die Keplerstraße Richtung Osten abgebogen war. «Wir haben einen Toten an Bord eines Schiffes, das heute Morgen im Hafen eingelaufen ist.»
    «Aha», sagte Danowski. «Findet ihr, dass ihr noch nicht genug Tote hier in der Stadt habt? Müsst ihr die jetzt schon von auswärts auf dem Seewege anliefern lassen?»
    «Rührend, wie du nach all den Jahren immer noch so tust, als wärst du gerade von der Transitautobahn aus der Hauptstadt gekommen. Jedenfalls ein Passagierschiff. Vor zehn Tagen vom Cruise Terminal zu einer Kreuzfahrt durch die Britischen Inseln aufgebrochen, planmäßige Rückkehr wäre heute Mittag gewesen, aber schon heute Morgen um 5  Uhr  30 wieder hier eingelaufen. Es hat da ein paar Verwicklungen gegeben.»
    Danowski kannte die Begeisterung der Hamburger für die großen Kreuzfahrtschiffe, die zwischen Mai und September im Hafen einliefen: Wenn die «Queen Mary  2 » kam, brach auf der Elbchaussee vor lauter Schaulustigen der Verkehr zusammen. Ihm verursachten die großen Schiffe Unbehagen. Sie sahen aus wie schwimmende Satellitenstädte, und er stellte sich vor, dass die Kabinen zu eng waren, der Frohsinn zu organisiert und die unausweichliche Gemeinschaft mit tausend oder zweitausend anderen eher teure Gefangenschaft.
    «Verstehe ich nicht», sagte er. «Das ist doch erst mal Küstenwache oder Wasserschutzpolizei und dann allenfalls Bundespolizei. Und weil die Kreuzfahrtschiffe alle unter anderer Flagge fahren, sowieso nichts für uns.»
    «Ich weiß auch nicht. Die Chefin hat gesagt, das sei reine Routine: Feststellung der Todesursache mit den Kollegen der Rechtsmedizin, Fundortbegutachtung, Ausschluss Fremdverschulden, Stempel drauf, Ende der Durchsage. Du darfst auch den ganzen Papierkram machen, versprochen.»
    Ich hasse unübersichtliche Situationen, dachte Danowski und rieb sich die Augen unter der Sonnenbrille.
    «Der Tote ist vermutlich an einer Krankheit gestorben, ein seltenes Grippevirus oder so was. Eigentlich hätten sie Bremerhaven anlaufen müssen, um ihn an Land zu bringen. Aber die Wasserschutzpolizei hat einen anonymen Anruf von Bord erhalten: dass irgendwas mit der Leiche nicht in Ordnung ist, nicht transportfähig oder so was. Angeblich hat der Kapitän versucht, das Ganze zu vertuschen.»
    «Bringt wahrscheinlich Unglück, einen Toten an Bord zu haben.»
    «Jedenfalls hat die Wasserschutzpolizei die Sache auf die Bundespolizei abgewälzt, und die Jungs haben den Kapitän angewiesen, wie geplant Hamburg anzulaufen. Ich vermute mal, die werden uns den Fall überlassen. Die haben ihr Übergabeprotokoll fertig, bevor wir über die Gangway sind.»
    «Die Glücksies», brummte Danowski düster, ein Lieblingswort seiner Kinder aufgreifend.
    «Jetzt reiß dich mal zusammen», sagte Finzi gutgelaunt. «Das ist echte Polizeiarbeit.»
    «Was wissen wir über den Toten?», fragte Danowski in gespielt offiziellem Tonfall, um Finzi eine Freude zu machen.
    Sie standen an der Ampel am Altonaer Balkon, und Finzi angelte einen Aktendeckel von der Rückbank. «Glaubst du, ich lerne das Zeug auswendig?»
    «Carsten Lorsch», las Danowski. « 54  Jahre alt, geboren in Langenhorn, Spirituosen-Importeur, wohnhaft Cordsstraße  49 in 22609 . Wo ist das?»
    «Nienstedten.»
    «Hm. Pfeffersack aus den Elbvororten macht eine Kreuzfahrt, verkühlt sich abends an Deck und stirbt an Grippe, weil er die Impfung verpasst hat. Ein Fall für Finzi und Danowski.»
    «Endlich bist du an Bord.» Finzi ballte scherzhaft die Hand zur Faust und bog mit dem Zeigefinger am Lenkrad rechts ab Richtung Cruise Terminal.
    «Was dagegen, wenn ich im Auto warte?», fragte Danowski.
     
    Am Blick auf die Elbe zwischen Landungsbrücken und Övelgönne hatte selbst er nichts auszusetzen. Die Kräne des Containerhafens auf der anderen Flussseite, die Tanks und Silos und dahinter die scheinbar frei schwebende Trasse der Köhlbrandbrücke, all das eingerahmt und durchzogen von der Elbe und ihren Hafenbecken – es wirkte je nach Wetter und Tageszeit auf ihn futuristisch, postkartenschön, anheimelnd oder auf erhabene Weise menschenfremd und abweisend. Heute überzog die Sonne alles mit einem harten
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