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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Latrinenreiniger. »Links?« sagte er mit seiner hohen Stimme. »So, so … links? Das ist da, wo der Daumen rechts ist, nicht wahr?«
    »Allerdings, Herr Professor.«
    »Dann operieren Sie links!« schrie Heberach plötzlich. »Ich operiere rechts! Und dann fliegen Sie raus!«
    Lorentzen stand allein, als er die linke Hand aufschnitt. Er spürte die Blicke der anderen Ärzte in seinem Nacken. Er war ein erledigter Mann.
    Doch er hatte recht. Es war die linke Hand.
    Wortlos verließ Heberach den OP.
    Bald darauf lernte Dr. Lorentzen Heberachs Tochter kennen. Damit war das Unglück perfekt. Bis heute, wo die Todesnachricht auf seinem Schreibtisch lag, hatte Lorentzen den Haß Heberachs zu spüren bekommen.
    Lorentzen steckte sich eine Zigarette an.
    Wir wollen nicht ungerecht sein, dachte er. Ich habe viel von ihm gelernt. Ich verdanke ihm das Grundwissen meiner Chirurgie. Er hat mich gelehrt, am Operationstisch mutig zu sein und in der Not improvisieren zu können. Ohne ihn wäre ich nicht der Arzt, der ich bin. Auch das muß man sagen, wenn man an Heberach denkt.
    Zum Begräbnis flog Lorentzen von München nach Hamburg. Es war eine riesige Trauerfeier. Der Friedhof war schwarz von Menschen. Wer kannte Heberach nicht? Lange Reden wurden gehalten. Der Pastor rollte noch einmal das Leben des großen, alten Mannes der Chirurgie auf. Freunde sprachen, und allen war es merkwürdig, daß Heberach wirklich Freunde gehabt haben sollte. Das lag gar nicht in seinem Wesen. Freunde … das heißt, daß man zuhören kann, daß man andere Meinungen gelten läßt, daß man Leistungen anerkennt. Das alles hatte Heberach nie gekonnt. Er war der König. Seine Meinung galt.
    Lorentzen hielt sich abseits. Von weitem nickte er den alten Bekannten aus der Klinik zu, dem I. Oberarzt, den drei OP-Schwestern, dem Verwaltungsdirektor – mit dem er so oft Krach gehabt hatte wegen der Krankenverpflegung –, der Schwestern-Oberin, einigen Stationsärzten.
    Während ein Kinderchor sang – erst jetzt erfuhr man, daß Heberach Förderer des Kirchenchores war –, trat ein Herr in Schwarz und Zylinder an Dr. Lorentzen heran.
    »Doktor Bantz«, stellte er sich vor.
    »Lorentzen.«
    »Ich weiß. Ich bin der Notar des Herrn Professors. Heberach sprach oft mit mir über Sie …«
    »Das glaube ich.« Keine Bitterkeit lag in Lorentzens Stimme. »Er hatte an mir ein Lebenswerk an Haß.«
    »So schien es.«
    Lorentzen sah den Notar etwas verwirrt an. »Wie soll ich das verstehen?«
    »Darüber können wir uns bei mir unterhalten, Doktor. Machen Sie mir die Freude, mit Ihnen nach den Feierlichkeiten zu speisen?«
    »Recht gern.«
    Sie warteten stumm, bis der Sarg in die Gruft gelassen war und die unzähligen Trauergäste ihre Blumen auf den Sarg geworfen hatten. Als letzte traten sie heran, und Lorentzen sah lange auf den blumengeschmückten Sarg. Dann wanderte sein Blick langsam zur Seite zu dem weißen Marmorstein neben dem frischen Grab.
    Seine Frau, Helene. Wie konnte sie lachen. Ein Lächeln lag sogar um ihre Lippen, als man sie tot aus dem Auto zog.
    Eine Hand berührte ihn von hinten, Dr. Bantz.
    »Kommen Sie. Dieser Lebensabschnitt ist abgeschlossen. Wir essen etwas und fahren dann zu mir.«
    Lorentzen nickte. Er trat vom Grab weg an den Stein Helenes und senkte den Kopf.
    Das ist ein Abschied für immer, dachte er. Ich werde nie mehr nach hier zurückkehren. Ich werde Marianne heiraten. Helene wird es verstehen …
    Später, in der Praxis des Notars, saß er in einem weichen Sessel und rauchte nervös eine Zigarre. Dr. Bantz hatte ein großes Kuvert aus dem Panzerschrank geholt, nachdem er ein kleineres vor Lorentzens Augen geöffnet hatte.
    »Professor Heberach übergab mir beide Kuverts vor einigen Jahren. Das kleinere ist zu öffnen unmittelbar nach seinem Begräbnis … das ist hiermit geschehen. Ich lese vor:
    ›Nach meinem Tode ist mein Schwiegersohn Dr. Lutz Lorentzen, wo immer er auch dann sein mag, zu benachrichtigen und nach Hamburg zu bitten. In seiner Gegenwart soll das große Kuvert, das mein Testament enthält, geöffnet und verlesen werden. Heberach.‹«
    Lorentzen nickte. »Das wird der letzte Schlag sein, Dr. Bantz. Ein posthumer Arschtritt. Fangen Sie an, ich bin gefaßt. Ich verzeihe dem Alten die Rache über den Tod hinaus. Er konnte nicht anders …«
    Dr. Bantz erbrach die vielen Siegel, mit denen das Kuvert gesichert war, holte einen nur einmal gefalteten Bogen heraus und zeigte ihn erstaunt Dr. Lorentzen.
    »Das ist
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