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Traumtrunken

Traumtrunken

Titel: Traumtrunken
Autoren: Kathrin Schachtschabel
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hatte er Michaela die Daten für ihre Reise unter die Nase gehalten, war sie wie ausgewechselt.
    „Ich freu mich, Atze“, hatte sie gesagt und mit dem Zettel gewedelt. „Ich muss nur noch Doris Bescheid geben.“
    Atze war zufrieden. Das war es ihm wert.
    Vielleicht sollten sie regelmäßiger verreisen.
     
    ***

Michaela merkte gleich, dass etwas nicht stimmte.
    Sie musste Benni am Donnerstagmorgen aufwecken. Nichts Ernstes, sein Köpfchen war warm. Aber die Tagesmutter würde ihn ihr so nicht abnehmen.
    „Mist“, fluchte Michaela. Sie wurde nervös. Was sollte sie jetzt machen? Sie hatte doch nächste Woche Urlaub und Doris versprochen, vorher noch einiges zu erledigen.
    Rico merkte ihr die Aufgelöstheit an. Bevor sie lange nachdenken konnte, machte er ihr diesen Vorschlag.
    „Ich bin doch schon groß. Ich kann bei Benni bleiben!“
    Im ersten Moment lachte Michaela darüber und streichelte seine Wange. „Das ist lieb von dir.“
    Doch dann begann sie, Ricos Angebot ernst zu nehmen.
    Sie musste ja nicht bis zum Nachmittag arbeiten. Nur ein paar Stunden, bis das Wichtigste geschafft war.
    Rico hatte sowieso Ferien.
    „Und das würdest du dir zutrauen?“, fragte sie ihn. „Allein zu Hause?“
    „Ich bin ja nicht allein. Benni ist ja bei mir!“
    Michaela überlegte. Sie konnte sich nicht entscheiden.
    Einerseits erleichterte sie der Gedanke, Doris nicht absagen zu müssen. Aber ob Rico wirklich mit dem Baby zurechtkam? Ob sie das durfte, ihren Sechsjährigen mit dem kleinen Bruder alleinlassen? Sie griff nach ihrem Handgelenk. Ihre Uhr war verschwunden. Michaela suchte im Badezimmer. Erfolglos.
    Sie ging zu ihrem Bett zurück und klappte die Decke nach hinten: Da lag sie.
    Der Verschluss musste in der Nacht aufgegangen sein. Michaela sah auf das Ziffernblatt. Fünf nach eins waren die Zeiger stehengeblieben. Michaela zog die Stirn kraus.
    Dann korrigierte sie die Uhrzeit anhand des Weckers und drückte das Stellrad wieder nach innen. Jetzt aber los, dachte sie.
     
    ***

Gegen elf hielt Atze an einem Rasthof an, weil er Hunger bekam.
    Als er von der Toilette kam, holte er sich ein Tablett und stellte sich vor die Vitrine.
    „Das Gulasch und die Krautrouladen dauern noch zehn Minuten“, sagte eine Frau mittleren Alters zu ihm, die seine Unschlüssigkeit bemerkt hatte.
    „Vielleicht gar nicht so schlecht.“ Atze sah an seinem Bauch hinunter und die Frau grinste.
    Nächste Woche hatten sie eh Halbpension. Da würde er noch genug in sich hineinstopfen!
    Er ging zu den Sandwiches zurück und nahm sich eines mit Thunfisch aus der Theke. Einen Kaffee dazu und vielleicht noch einen Schokoriegel, dann passt es, dachte Atze.
    Nach dem Bezahlen suchte er sich einen freien Tisch. Es war ganz schön viel los hier. Auch auf den Straßen.
    Klar, Ferien, dachte Atze. Er musste langsam fahren, aber das hatte ihm nichts ausgemacht. Er war einfach geschafft von der Woche.
    Nur gut, dass er ab Montag Urlaub hatte.
     
    ***

Den ganzen Tag hatte Michaela darüber nachgedacht, wie sie solche Probleme in Zukunft lösen würde.
    Gut, man konnte ja auch selbst mal krank werden. Damit beruhigte sie sich ein wenig.
    Außerdem war heute ihr letzter Arbeitstag. Insofern hatte sie sogar noch Glück gehabt.
    Doch dann fiel ihr ein, dass sie mit einem kranken Kind auch nicht verreisen konnte. Zumindest nicht, wenn Benni ernsthaft krank war.
    Aber das war er ja nicht. Michaela winkte ab. Sonst hätte sie ihn ja nicht mit Rico allein gelassen.
    Sie wischte kurz über die Fensterscheibe im Bus, die von der hohen Luftfeuchtigkeit beschlagen war. Draußen regnete es. Ein Grund mehr, sich auf den Urlaub zu freuen.
    Der Bus hielt und sie beeilte sich, nach Hause zu kommen. Es war kurz vor halb zwei. Sie würde für sich und Rico ein paar Nudeln kochen. Den ganzen Vormittag hatte sie nichts gegessen, dafür aber alles geschafft, was sie sich vorgenommen hatte.
     
    Als sie die Wohnung aufschließt, ist es still.
    Benni wird schlafen, denkt sie noch.
    Sie geht ins Wohnzimmer.
    Dort steht die Tragetasche des Kinderwagens auf der Couch, wo sie sie hingestellt hat.
    Sie kommt näher, merkt, dass etwas nicht stimmt, nimmt Benni heraus, doch er reagiert nicht.
    Leblos hält sie ihn in den Händen.
    Sein kleiner Körper ist noch warm, als sie ihn küsst. Aber er rührt sich nicht mehr.
     
    ***

„Michi?“
    Sie antwortet nicht, aber Atze ist sich sicher, dass sie da sein muss. Ihre Schuhe stehen im Flur und die Wohnungstür ist auch nicht
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