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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher
Autoren: Jean Sarafin
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noch Mitleid. All der Aufwand, der Kampf und die Feindschaft nur, um mich von etwas abzubringen, was ich ohnehin nicht hatte haben wollen. Und wenn ich eines verstand, dann wie es sich anfühlte, immer um Liebe und Anerkennung zu kämpfen, ohne sie zu bekommen.
    »Aber du?«, erkundigte ich mich deswegen sanft.
    Jonah sah mich an und die Trauer in seinem Blick ließ mein Herz flattern. »Ich habe alles für ihn getan. Ich war bei ihm, als er alt und schwach wurde, ich habe ihn verteidigt und beschützt. Sogar als er meinem Bruder die Schuld an eurem Umzug vor acht Jahren gegeben und ihn hierher verbannt hat. Aber immer warst DU diejenige, an die Ranulf geglaubt hat. Seine Erbin. Die Tochter seines Sohnes. Trotz deiner sonstigen Abstammung.«
    »An mich geglaubt?« Ich schnaubte. »Ich war sechs Jahre in einem Internat und wohne mit verrückten Brandstiftern zusammen.«
    »Er hat immer gehofft, dass du begreifst, zu ihm kommst und uns führst.«
    »Uns?«
    Jonah deutete über meine Schulter und zum ersten Mal drehte ich mich um. Obwohl ich mich innerlich gewappnet hatte, war der Anblick überraschend. Schlimm, furchtbar und schrecklich. Schatten, deformierte Dunkelheit, losgelöst von Licht und Realität, spinnenbeinige, fellige Wesen, wahre Schreckgespenster waberten, flossen, liefen und drehten sich in einem solide wirkenden Gespinst aus Finsternis, bildeten Augen aus, Klauen, Zähne und Köpfe. Alpträume aus allen Epochen der Menschheit. Es waren die Wesen, die hinter mir her gewesen waren. Mit acht Jahren, mit zehn Jahren, im Haus meines Großvaters, in meinen Träumen. Wieder griff Panik nach mir, jahrelang in unzähligen Nächten zur Vollkommenheit herangezüchtet.
    »Nachtmahre.« Ich wich langsam zurück, als die Finsternis ein einziges, großes Pferd bildete und einen Schritt auf mich zu machte.
    »Du bist Ranulfs Erbe, unsere Königin.« Jetzt war es Jonah, dessen Worte sehr sanft waren. Absichtlich beruhigend.
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall.«
    Das war verrückt, unmöglich und vollkommen … albtraumhaft. Aber immerhin war ich NICHT verrückt. Es ergab einen Sinn. Zusammen mit meinen Träumen, meiner Vergangenheit und allem.
    »Pass auf, wenn du die anderen Mädchen gehen lässt, habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn du das Nachtmahr-Erbe antrittst.« Selbst in meinen Ohren klang meine Stimme, als tanze sie auf dem Rand der Hysterie.
    »Du hast kein Problem damit, wenn ich König der Nachtmahre werde?« Jonah schien fassungslos. Anscheinend ging ihm auch endlich auf, dass er sich mit mir seit Jahren um etwas stritt, was mich nicht einen Deut kümmerte. »Bist du dir sicher?«
    »Ja.« Beinahe hätte ich gelacht. Aber ich wusste nicht, ob ich je wieder würde aufhören können.
    Jonah musterte mich von oben bis unten. Zum ersten Mal nicht mit Herablassung oder offener Herausforderung im Blick, sondern mit dem, was ich auch in seinem Kuss geschmeckt hatte. Zuneigung und Hoffnung.
    »Wirst du an meiner Seite sein?«
    »Hast du sie noch alle?« Jetzt lachte ich wirklich. Allerdings blieb mir das Geräusch im Halse stecken, als ich der Trauer in Jonahs Gesicht gewahr wurde. Zuneigung und Hoffnung blieb weit hinter dem Zurück, was er wider Willen für mich empfand.
    »Du bist feige!« , behauptete er und seine Worte trafen mehr als mir lieb war. Aber ich hatte mich vor Alpträumen und Schatten gefürchtet, seit ich denken konnte. Vor leuchtenden Augen, Fell und dem nächtlichen Druck auf der Brust. Jonah hatte in der Vergangenheit ganze Arbeit geleistet – und jetzt verlangte er von mir, dass ich alles vergaß? Nur weil er was? Mich liebte?
    »Du bist schuld.« – »Du hast sie vertrieben.« – »Sie getestet.« Die geflüsterten Anklagen aus dem Schatten ließen Schauer verschiedener Intensität über meinen Rücken laufen und brachten meine Brandnarben zum Prickeln. Für einen Moment war ich wirklich froh, dass sich die dazugehörigen Wesen nicht zeigten.
    »Die Uhr?!« Jonah streckte seine Hand aus und wie auf Kommando verstummte das Flüstern der Schatten.
    »Sie ist fort, verbrannt«, gab ich zu.
    Jonahs Gesichtszüge entgleisten, während der Rest von ihm starr wurde. Blankes Entsetzen leuchtete mir aus seinen blauen Augen entgegen. Schließlich kehrte seine übliche Selbstsicherheit zurück. »Dann hast du keine Wahl mehr. Ohne die Uhr werden sie mich nicht als ihren neuen Herrscher akzeptieren.«
    »Müssen sie!«
    Jonah schüttelte den Kopf. »Sie müssen überhaupt
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