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Traumlawine

Traumlawine

Titel: Traumlawine
Autoren: Hubert Haensel
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tastend umher, schien die Treppe nicht finden zu können. Kurz entschlossen zog Agon ihn hinter sich her; beide stürzten die Stufen förmlich hinauf.
    Aber auch vom Oberdeck schlug ihnen beißender Qualm entgegen. Unmöglich, auf diesem Weg noch ins Freie zu gelangen.
    »Zusammenbleiben!« brüllte Berbus. Er riß seine Waffe aus der Scheide und begann, mit wuchtigen Hieben auf die Schiffswand einzuschlagen. Balken zersplitterten, Planken wurden aus ihren Verankerungen gerissen. Schwere Luft strömte herein und drängte den Rauch zurück. Trotzdem griff das Feuer rasend schnell um sich.
    Berbus führte die Axt wie ein Besessener. Rasch entstand eine Öffnung, durch die man sich hindurchzwängen konnte.
    »Huuk!« brüllte er. »Hierher mit dem Drachenboot!«
    Sie versuchten, außen am Schiff entlangzuklettern, jedoch gab es kaum eine Möglichkeit, wirklichen Halt zu finden. Aus den wenigen engen Luken schlugen bereits die Flammen hervor.
    Es fiel dem Bogenschützen schwer, das kleine Boot so nahe heranzuführen, daß es nicht gleichzeitig ein Raub des Feuers wurde. Carlumen war inzwischen kaum mehr dreißig Schritt entfernt. Die aufgeregten Rufe, die von dort kamen, vermischten sich mit dem lauter werdenden Knistern und Prasseln der Flammen.
    »Wer immer die Fremden überfallen und ausgeraubt hat«, sagte Berbus schließlich, »hat gewußt, welch dämonisches Zeug in dem Faß war. Seine Absicht muß gewesen sein, sämtliche Spuren auszulöschen.«
    Mythor nickte stumm. Das fremde Schiff war zur lodernden Fackel geworden, deren Feuerschein ihnen voraneilte.
*
    Es war unmöglich, Carlumen auf einen neuen Kurs zu bringen. Die Fliegende Stadt unterlag wieder dem Einfluß der Schlange Yhr.
    Eine Zeitlang sah es so aus, als wäre ein Zusammenprall mit dem flammenden Wrack unvermeidlich – alle Anstrengungen Caerylls und seiner Krieger blieben erfolglos. Elementare Kräfte zerrten Carlumen mit sich, hinein in eine unbestimmbare Zukunft.
    Omen oder Fanal, so trieb das fremde Schiff neben der Fliegenden Stadt dahin. Mehrmals meinte Mythor, schemenhaft den Körper der Schlange Yhr erkennen zu können, der sie fest umschlungen hielt, aber jedesmal verschwand die unstete Erscheinung wie ein Trugbild, sobald er sich darauf konzentrierte.
    War Yhrs Schicksal inzwischen so weit mit dem von Carlumen verbunden, daß sie es nicht wagen durfte, die Fliegende Stadt ebenfalls zu vernichten?
    Mythor starrte über die Palisaden der Wehr hinaus in die unergründliche Weite der Schattenzone, als er unvermittelt angesprochen wurde.
    »So nachdenklich. Was quält dich, Freund?«
    Fronja nannte ihn »Freund«, und sie tat es absichtlich. Zögernd nun wandte er sich um, wohl wissend, daß eine Entscheidung unausweichlich geworden war. Und sie mußte bald fallen, wollte er nicht, daß die Tochter des Kometen sich immer weiter von ihm entfernte.
    Jetzt seine Liebe zu beteuern, wäre sicher das Unpassendste gewesen, was er hätte sagen können. Deshalb schwieg Mythor.
    Aber legte Fronja sein Schweigen womöglich gar als Einverständnis aus? Es gab keine andere Erklärung für das Zucken, das flüchtig ihre Mundwinkel umspielte.
    »Fronja…« Wäre nur diese Angst nicht gewesen, sie eines Tages zu verlieren.
    »Sage nichts, Mythor. Du würdest es uns beiden unnötig schwermachen.«
    »Das klingt nach Abschied.«
    »Abschied oder Neubeginn. Es liegt nicht an mir, darauf Einfluß zu nehmen.«
    »Dann vergiß deine Zweifel. Du solltest längst erkannt haben, daß ich es ehrlich meine.«
    Schön wie eine Fee stand sie da, die Arme in die Taille gestützt, von einem weiten Umhang umspielt, der in der auffrischenden Brise flatterte.
    »Ein guter Bildzauber, Mythor, würde dich bis an dein Lebensende verfolgen, ohne daß du jemals auf den Gedanken kommen könntest, es seien nicht deine eigenen Gefühle, die du empfindest. Du würdest das häßlichste Weib wie eine Göttin behandeln und sie auf Händen tragen.«
    »Aber…«
    Fronja winkte ab.
    »Ich wäre glücklich, dürfte ich deinen Beteuerungen glauben.«
    »Der Bildzauber ist längst verflogen. Denn die Wirklichkeit ist noch faszinierender.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich muß den Zauber, der dich bindet, selbst auslöschen. Nur dann kann ich gewiß sein, daß deine Liebe zu mir Wahrheit ist.«
    »Warum zögerst du? Klären wir endlich, was uns verbindet.«
    »Nicht an Bord von Carlumen. «
    »Wo?«
    »Ich weiß es nicht. Laß das Schicksal entscheiden.«
    Mythor unterdrückte das Verlangen,
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