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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote
Autoren: Tad Williams
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Volk.«
     
    Nachdem er sein Lied beendet hatte, sprang er mit einer Kraft von der Mauer, der man seine vielen Sommer nicht anmerkte. Als er ging, senkte das versammelte Volk ehrfürchtig die Köpfe zwischen die Vorderpfoten.
    Die Stunde des Letzten Tanzes stand nahe bevor, und die Gesellschaft löste sich in kleine Grüppchen auf. Die Katzen sagten einander Lebewohl, schwätzten und sprachen über das Lied.
    Traumjäger und Spindelbein blieben noch eine Weile, besprachen ihre Pläne für den kommenden Abend mit Pfotenflink und einigen der anderen jungen Jäger, dann brachen sie auf.
    Als sie über die Felder zurücktollten, stolperten sie über einen Maulwurf, der sich aus seinem Bau verirrt hatte. Nachdem sie ihn ein wenig gejagt hatten, zerbiss ihm Spindelbein das Genick und sie aßen. Mit wohlgefüllten Bäuchen trennten sie sich bei Frittis Veranda.
    »
Mri’fa-o
, Traumjäger«, sagte Spindelbein. »Wenn du morgen meine Hilfe brauchst, ich werde zur Stunde der Steigenden Dämmerung am Waldrand sein.«
    »Schöne Träume für dich, Spindelbein. Du bist ein guter Freund.«
    Spindelbein schnipste mit dem Schwanz und war verschwunden. Fritti hüpfte in den Kasten, den die Großen ihm überlassen hatten, und sank in die Welt des Schlafs.

2. KAPITEL
    Es ist das Nebelhafte, Ungreifbare.
    Wenn du es triffst, wirst du seinen Kopf nicht sehen,
    Und wenn du ihm folgst, nicht seinen Rücken.
     
    Laotse
     
    F ritti Traumjäger war das zweitjüngste aus einem Wurf von fünf Kätzchen gewesen. Als seine Mutter, Inez Graswiege, ihn zum ersten Mal beschnüffelte und die Feuchtigkeit der Geburt aus seinem Fell leckte, spürte sie, dass er anders war – eine unmerkliche Besonderheit, die sie nicht zu deuten wusste. Seine blinden Säuglingsaugen und sein suchendes Mäulchen waren gleichsam beharrlicher als die seiner Brüder und Schwestern. Als sie ihn säuberte, spürte sie ein Prickeln in ihren Barthaaren, eine Andeutung unsichtbarer Dinge.
    Vielleicht wird er ein großer Jäger, dachte sie.
    Sein Vater, Streifenbauch, war gewiss ein stattlicher, kräftiger Kater. Sogar ein Hauch der Älteren Tage hatte ihn umgeben, besonders in jener Winternacht, als er mit ihr das rituelle Lied gesungen hatte.
    Doch nun war Streifenbauch fort – seiner Nase nach und irgendeinem dunklen Drang folgend –, und sie war, natürlich, zurückgeblieben, um seine Nachkommen allein aufzuziehen.
    Als Fritti heranwuchs, verlor sich die Erinnerung an ihre frühen Empfindungen. Die Gewohnheit und das schwere, alltägliche Geschäft, einen Wurf aufzuziehen, ließen viele ihrer feineren Gefühle abstumpfen.
    Obgleich Fritti ein lebhaftes und friedfertiges Kätzchen war, gescheit und schnell von Begriff, so erfüllte er doch, was seine Größe anlangte, nie die Hoffnung seines Jäger-Vaters. Zu der Zeit, als das Auge sich dreimal über ihm geöffnet hatte, war er immer noch nicht größer als seine ältere Schwester Tirya und beträchtlich kleiner als jeder seiner zwei Brüder. Sein kurzes, ursprünglich cremefarbenes Fell hatte nachgedunkelt und eine Aprikosen-Orangen-Farbe angenommen, mit Ausnahme der weißen Streifen an Beinen und Schwanz und einer kleinen, milchigen, sternförmigen Zeichnung auf der Stirn. Nicht groß, aber flink und unternehmungslustig – von der kindlichen Tapsigkeit abgesehen – tanzte Fritti durch die erste Spanne seines Lebens. Er tollte mit seinen Geschwistern herum, jagte hinter Käfern, Blättern und anderen kleinen Dingen her, die sich bewegten, und übte seine unreife Geduld, um die anstrengende Kunst des Jagens zu erlernen, die Inez Graswiege ihren Kindern beibrachte.
    Obgleich sich das Familiennest in einem Haufen von Holz und Feldsteinen hinter einer der festen Behausungen der Großen befand, führte Frittis Mutter die Kleinen manchen Tag über den Rand der
M’an
-Nester hinaus in das freie Land. Für die Kinder des Volkes war die Kenntnis des Waldes ebenso wichtig wie die der Stadt. Ihr Überleben hing davon ab, dass sie, wo immer sie sich befanden, schlauer, schneller und verschwiegener waren.
    Wenn Graswiege das Nest verließ, zottelten ihre Jungen wie ein Trüppchen herumhüpfender Pfadfinder hinter ihr her. Mit der Geduld, die sich ihr durch ungezählte Generationen vererbt hatte, weihte sie ihre strubblige Meute in die Grundregeln des Überlebens ein. Sie lehrte sie das jähe Erstarren, den Sprung aus der Ruhestellung, die untrügliche Witterung, den sicheren Blick und den raschen Todesbiss – die ganze Kunst
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