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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote
Autoren: Tad Williams
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der Erde gewesen, dass die Sonne ihn blendete. Er kratzte und rieb sich seine gepeinigten Augen und heulte so erbärmlich, dass Feuertatze sich nach etwas umsah, womit er ihn vor dem glühenden Licht des Tag-Sterns schützen konnte. Sobald er sich jedoch abwandte, grub der geblendete Kaltherz sich einen Gang, schneller als es ein Dachs oder ein Maulwurf vermocht hätte. Als der aufgeschreckte Feuertatze sich über das Loch beugte, war Kaltherz aufs Neue im Inneren der Welt verschwunden.
    Man erzählt sich, dass er noch immer dort wohnt, vor den Augen des Volks verborgen; dass er unter der Erde Übeltaten ersinnt und danach giert, in die Obere Welt zurückzukehren …
     



1. KAPITEL
    … hängt keinem Irrtum nach:
    Wir sind nicht scheu und kümmerlich:
    Wir sind sehr hell und wach,
    Der Mond und ich!
     
    W. S. Gilbert
     
    D ie Stunde der Steigenden Dämmerung hatte begonnen, und der Dachfirst, auf dem Traumjäger lag, war in Schatten gebettet. Er steckte tief in einem Traum voller
    Sprünge und Flüge, als er ein ungewöhnliches Kribbeln in seinen Barthaaren spürte. Fritti Traumjäger, der junge Jäger des Volkes, wurde plötzlich wach und schnupperte die Luft. Mit gespitzten Ohren und starr abstehenden Barthaaren sog er prüfend die Abendbrise ein. Nichts Außergewöhnliches. Doch was hatte ihn dann geweckt? Grübelnd spreizte er die Pfoten und begann sich zu strecken, bis sein Körper vom Rückgrat bis zur Spitze seines rötlichen Schwanzes locker war.
    Als er sich fertig geputzt hatte, war das Gefühl einer Gefahr verflogen. Vielleicht war es ein Nachtvogel gewesen über ihm … oder ein Hund unten im Feld … vielleicht …
    Vielleicht werde ich wieder ein Kind, dachte Fritti bei sich selbst, das erschreckt vor fallenden Blättern Reißaus nimmt. Der Wind rubbelte durch sein frisch gelecktes Fell. Verärgert sprang er vom Dach in die hohen Gräser hinunter. Zuerst musste er etwas gegen den Hunger tun. Danach wurde es Zeit, zum Mauertreff zu gehen.
    Das Dämmerlicht schwand, und Traumjägers Bauch war immer noch leer. Das Glück war ihm nicht geneigt gewesen.
    Regungslos und geduldig hatte er am Eingang zur Höhle eines Ziesels auf der Lauer gelegen. Nachdem eine Ewigkeit nahezu lautlosen Atmens verstrichen und der Bewohner des Baus immer noch nicht aufgetaucht war, hatte Traumjäger enttäuscht aufgegeben. Missmutig hatte er auf dem Höhleneingang herumgetrampelt und sich dann auf die Suche nach einer anderen Beute gemacht.
    Das Glück hatte ihn ganz und gar verlassen. Selbst ein Nachtfalter war seinem stürmischen Angriff entkommen und in Spiralen nach oben in die Dunkelheit geflogen.
    Wenn ich nicht bald etwas fangen kann, sorgte er sich, werde ich zurückkehren und aus dem Napf fressen müssen, den die Großen für mich hinausgestellt haben. Harar! Was für ein Jäger bin ich eigentlich? Ein schwacher Anflug von Geruch ließ Traumjäger unvermittelt innehalten. Vollkommen bewegungslos und mit angestrengten Sinnen kauerte er und schnupperte. Es war ein Quieker, und so nahe, dass er ihn mit dem Wind wittern konnte.
    Er bewegte sich schattenleicht, suchte sich sorgsam seinen Weg durch das Unterholz, und dann erstarrte er wieder. Dort! Anderthalb Sprünge vor ihm saß die
Mre’az
, die er gerochen hatte. Ohne Traumjäger zu bemerken, hockte sie da und stopfte sich Samen in die Backentaschen – die Nase zuckte nervös, die Augen zwinkerten unruhig.
    Fritti ließ sich auf die Erde nieder, und sein aufgestellter Schwanz schlug hinter ihm hin und her. Immer noch kauernd, hob er sich auf die Hinterbeine und machte sich zum Angriff bereit – regungslos und mit gespannten Muskeln. Er sprang. Er hatte die Entfernung falsch eingeschätzt. Er sprang zu kurz, und als er mit zuckenden Tatzen landete, hatte der Quieker gerade noch Zeit, ein entsetztes Zirpen auszustoßen, ehe er – husch! – in seinem Loch verschwand.
    Fritti stand über dem Fluchtloch und biss sich verlegen die Pfote.
     
    Als Traumjäger die letzten Brocken aus dem Napf leckte, sprang Spindelbein auf die Veranda. Spindelbein war ein wilder, grau und gelb gescheckter Tiger, der in einem Abzugskanal auf der anderen Seite des Feldes hauste. Er war ein wenig älter als Fritti, worauf er sich viel einbildete.
    »
Nre’fa-o
, Traumjäger.« Spindelbein zog sich hoch und schärfte träge seine Krallen an einem hölzernen Pfeiler. »Sieht so aus, als hättest du heute Abend reichlich zu fressen bekommen. Sag mal, lassen dich die Großen für dein
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