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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote
Autoren: Tad Williams
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gab, über das man sich wirklich einig war. Man fand diesen Namen eben heraus oder man tat es nicht, sagten die Älteren, und es gebe kein Mittel, dies zu erzwingen.
    In der Nacht der Namengebung wurden Fritti und seine Geschwister von ihrer Mutter zu dem besonderen Nasentreff der Älteren geführt, das dem eigentlichen Treffen voranging. Zum ersten Mal erblickte Fritti Borstenmaul, den
Oel-cir’va
, und den alten Leckschnüff und die anderen Weisen des Volkes, welche die Gesetze und Überlieferungen in ihrer Obhut hatten.
    Fritti, seine Geschwister und die Jungen einer weiteren
Fela
wurden in einem Kreis zusammengedrängt. Aneinandergekauert lagen sie da, während die Älteren sie langsam umschritten – sie schnupperten die Luft und gaben tiefe Knurrtöne von sich, die den Tonfall einer unbekannten Sprache hatten. Leckschnüff beugte sich herunter, ergriff mit seiner Tatze Frittis Schwester Tirya und stellte sie auf die Pfoten. Er starrte sie einen Augenblick an, dann sagte er: »Ich nenne dich Glockenrein. Begib dich zum Treffen.« Sie rannte fort, um ihren neuen Namen mitzuteilen, und die Älteren setzten ihre Prüfung fort. Ein Junges nach dem anderen zogen sie aus dem Haufen hervor, wo die jungen Katzen atemlos vor Erwartung lagen, und gaben ihm einen Namen. Schließlich war nur noch Fritti übrig. Die Älteren blieben vor ihm stehen und beschnüffelten ihn gründlich. Borstenmaul wandte sich an die anderen: »Riecht ihr es auch?«
    Leckschnüff nickte. »Ja. Das breite Wasser. Die Orte unter der Erde. Ein sonderbares Zeichen.«
    Ein anderer Älterer mit blau verschossenem Fell, der Ohrenspitz hieß, scharrte ungeduldig in der Erde. »Nicht von Bedeutung. Wir sind hier, um Namen zu geben.«
    »Richtig«, stimmte Borstenmaul ihm zu. »Nun …? Ich rieche eifriges Suchen.«
    »Ich rieche einen Kampf mit Träumen.« Das war Leckschnüff.
    »Ich glaube«, sagte ein anderer Älterer, »er träumt bereits von seinem Schwanznamen, ehe er überhaupt seinen Gesichtsnamen bekommen hat!« Und sie alle schnieften stillvergnügt vor sich hin.
    »Sehr gut!«, sagte Leckschnüff, und aller Augen richteten sich auf Fritti. »Ich nenne dich … Traumjäger. Begib dich zum Treffen.«
    Verwirrt sprang Fritti auf und trabte eilig fort vom Nasentreff, fort von den gickernden Alten, die sich auf seine Kosten zu amüsieren schienen. Borstenmaul rief ihm mit scharfer Stimme nach: »Fritti Traumjäger!«
    Er drehte sich um und begegnete dem Blick von Meister Alt-Sänger. Über den lustigen Fältchen um die Nase waren die Augen des Alten warm und freundlich.
    »Traumjäger. Alle Dinge dieser Erde dauern nur eine bestimmte Zeit. Vergiss das nicht. Willst du das versprechen?«
    Fritti legte die Ohren an, wandte sich um und rannte zum Treffen.
     
    Die letzten Tage des Frühlings brachten heißes Wetter, ausgedehnte Streifzüge ins Land – und Traumjägers erstes Zusammentreffen mit Goldpfote.
    Als er sich dem Erwachsenenalter näherte, wurde die tägliche Gesellschaft seiner Brüder und Schwestern für Fritti weniger wichtig. Jeden Tag stand die Sonne länger am Himmel, und die Düfte, die der einschläfernde Wind herbeitrug, wurden süßer und kräftiger. So wurde er denn immer häufiger zu einsamenPirschgängen verlockt und verließ den Bezirk der Behausungen, in dem seine Familie wohnte und schlief. Wenn die Stunde der Kleineren Schatten am heißesten war – wenn sein Hunger durch das Frühstück gestillt und seine natürliche Neugier erwacht war –, streifte er durch die Graslande wie seine Brüder von den Savannen, und wenn er an einem Berghang stand und Grashalme ihn am Bauch kitzelten, schwang er das Szepter seiner Träume über allem, was vor ihm lag. Auch die Tiefen der Wälder reizten ihn. Zwischen den Wurzelstöcken von Bäumen grabend, spürte er den Geheimnissen hastender Käfer nach, prüfte die Stärke der äußeren Zweige und genoss das aufregende Gefühl, wenn hoch oben die strömende Luft durch die empfindlichen Haare seines Gesichts und seiner Ohren strich.
    Eines Tages, am Ende eines Nachmittags voll berauschender Freiheit und Entdeckungslust, kam Traumjäger aus dem niedrigen Buschwerk hervor, das seine Wälder umsäumte, und blieb stehen, um einen Zweig zu entfernen, der in seinem Schwanz hängen geblieben war. Während er mit gespreizten Beinen dasaß und mit den Zähnen an dem Holzstückchen zerrte, hörte er eine Stimme.
    »
Nre’fa-o
, Fremder. Könnte es sein, dass du Traumjäger bist?« Aufgeschreckt
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