Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
bebten. Ersprang vorwärts und galoppierte nach Hause zu seinem Nest. Er meinte Schreckensschreie des Volkes zu hören, doch die Luft war ruhig und still.
    Er kletterte über den letzten Dachfirst, glitt kratzend an einem Zaun hinab und plumpste zu Boden – und erstarrte vor Verblüffung und Furcht.
    Wo der Haufen Gerümpel gewesen war, in dem seine Familie gehaust hatte … da war nichts mehr. Der Platz war so saubergefegt wie ein windgepeitschter Felsen. Als er seine Familie heute Morgen verlassen hatte, stand seine Mutter auf der Spitze des Haufens und leckte seine jüngste Schwester Schnurrweich. Nun waren sie alle verschwunden.
    Er schoss vor und versuchte, den stummen Boden aufzukratzen, als wollte er ihm das Geheimnis dessen entreißen, was geschehen war. Doch es war
M’an
-Erde, gegen die Kralle oder Zahn nichts ausrichten konnten. Die widersprüchlichsten Gefühle wirbelten in seinem Kopf herum. Er wimmerte und schnüffelte die Luft.
    Überall witterte er die erkalteten Spuren von Furcht. Die Gerüche seiner Familie und ihres Nestes waren immer noch da, doch sie waren vom schrecklichen Hauch der Angst und Wut überdeckt. Obgleich Zeit und Wind die Eindrücke sehr zerspellt hatten, konnte er dennoch wittern, wer hier am Werk gewesen war.
    M’an
waren hier gewesen. Die Großen hatten sich längere Zeit hier aufgehalten, doch hatten sie selbst keine Duftmarke von Furcht oder Zorn hinterlassen. Was ihre Ausdünstung bedeutete, war wie immer kaum auszumachen oder zu enträtseln – sie ähnelte mehr der fleißiger Ameisen und Bohrkäfer als der des Volkes. Hier hatte seine Mutter bis zuletzt mit ihnen gekämpft, um ihre Jungen zu schützen, doch die Großen verspürten weder Wut noch Furcht. Und nun war seine Familie verschwunden.
     
    In den nächsten Tagen fand er, wie er befürchtet hatte, keine Spur der Seinen. Er floh in die Alten Wälder und lebte dort allein. Weil er nur das aß, was er mit seinen noch ungeschickten Tatzen erlegen konnte, wurde er mager und schwach, doch er wollte sich keiner anderen Familie anschließen.
    Spindelbein und andere Freunde brachten ihm hin und wieder etwas zu essen, konnten ihn aber nicht zur Rückkehr bewegen. Die Älteren schnieften weise und mischten sich nicht ein. Sie wussten, dass man Wunden wie diese am besten in der Einsamkeit behandelte, wo die Entscheidung, ob man leben oder sterben wollte, aus freiem Willen getroffen und später nicht bereut wurde.
    Fritti sah Goldpfote überhaupt nicht, denn sie kam nicht, um ihn in seiner Wildnis zu besuchen. Er wusste nicht, ob dies aus Kummer oder aus Gleichgültigkeit geschah. Wenn er nicht schlafen konnte, quälte er sich mit erdachten Gründen.
    Eines Tages – seit er seine Familie verloren hatte, war das Auge einmal geöffnet und einmal geschlossen gewesen – fand sich Fritti in den Randbezirken der Behausungen der
M’an
. Elend und entkräftet hatte er in einer Art Benommenheit den Schutz des Waldes verlassen.
    Als er schwer atmend in einem Fleck willkommenen Sonnenlichtes lag, hörte er das Geräusch schwerer Fußtritte. Seine umdämmerten Sinne sagten ihm, dass sich
M’an
näherten. Die Großen kamen näher, und er hörte, wie sie einander mit ihren tiefen, dröhnenden Stimmen etwas zuriefen. Er schloss seine Augen. Wenn es denn bestimmt war, dass er seine Familie im Tod wiedertreffen sollte, schien es angemessen, dass diese Geschöpfe die Arbeit zu Ende brachten, die ihre Artgenossen begonnen hatten. Als er spürte, wie große Hände ihn packten, und der Geruch der
M’an
alles ertränkte, begann er hinüberzugleiten – ob in die Traumwelt oder noch weiter, wusste er nicht. Dann spürte er überhaupt nichts mehr.
    Langsam und behutsam kehrte Frittis Geist in vertraute Bezirke zurück. Als das Denken wieder einsetzte, konnte er unter seinem Körper eine weiche Fläche spüren, und immer noch war ringsum der Geruch der
M’an
. Erschreckt öffnete er die Augen und blickte wild in die Runde.
    Er lag auf einem Stück weichen Stoffes auf dem Boden eines Behälters. Das Gefühl, in einer Falle zu sitzen, entsetzte ihn. Er erhob sich auf seine unsicheren Pfoten und suchte einen Weg hinaus. Er war zu schwach, um zu springen, doch nach mehreren Versuchen gelang es ihm, sich mit den Vorderpfoten am Rand des Behälters festzuklammern und hinauszuklettern. Nachdem er auf dem Boden gelandet war, blickte er sich um und fand sich in einem offenen, überdachten Raum, der an eine der Behausungen der Großen grenzte. Obgleich der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher