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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden
Autoren: Wildis Streng
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heißt eigentlich Herbert.«
     
    Florian Ehrmann sah die beiden blondbezopften Mädchen aus dem gelben Bau kommen. Heidemarie trug einen Geigenkasten und Annabella ein selbst gewebtes Flötentäschchen. Er holte seine Nichten immer von der Musikschule ab, Elke hatte um diese Zeit Yoga. Die Kinder taten ihm manchmal schon leid. Sie hatten wenig Raum, um wirklich Kinder zu sein. Stattdessen mussten sie Instrumente lernen, zum Ballettunterricht und in den Sportverein. Reiten, wie sie es sich so sehr wünschten, durften sie hingegen nicht, weil Elke Angst hatte, sie könnten vom Pferd fallen und sich den Hals brechen. Seine Schwägerin zog die Mädchen zu einer blonden Elitetruppe heran, zu deren eigenem Besten, wie sie immer betonte. Florian hegte eher den Verdacht, dass das Ganze zu Elkes Bestem geschah. Er, wenn er Kinder hätte, wenn er mit der Jessi ein Kind gehabt hätte, hätte das ganz anders gemacht. Er hätte sogar das Kind von dem anderen akzeptiert, und auch, dass es behindert gewesen wäre, denn er hatte die Jessi geliebt und auch das Kind hätte er lieb gehabt. Aber nun war sie tot, die Jessi, und mit ihr auch die Chance auf ein Kind, zumindest in nächster Zeit. Es würde nämlich länger dauern, bis er sich wieder verlieben könnte, er bezweifelte, dass er sich überhaupt jemals wieder eine Freundin zulegen würde. Vielleicht Monika, nach einiger Zeit, wer weiß, auch, wenn er sie nicht mehr liebte. Praktisch wäre es, sie kannten sich, sie mochten sich, das Ganze wäre okay. Wenn sie ihn noch wollte, nachdem er sie bei der Polizei angeschwärzt hatte. Und wenn sie tatsächlich nichts mit dem Mord zu tun hatte. Und niemals würde es so wie mit Jessi sein, aber gut. Die Mädchen waren nun durch die goldenen Herbstblätterhaufen herangeschlurft. Sie wirbelten absichtlich Blätter auf und lachten ausgelassen, eines der wenigen Male, denn sonst hatten sie ja nicht viel zu lachen. Der Wind zerrte an ihren blonden Zöpfen, und sie wirkten auf eine bescheidene Art glücklich.
    »Na, ihr zwei«, begrüßte Florian seine beiden Nichten.
    »Hallo, Onkel Florian.«
    »Hallo, Onki Flo.«
    Annabella nannte ihn immer »Onki«, was ihn ganz köstlich amüsierte.
    »Wie war’s in der Musikschule?«
    Die beiden tauschten einen Blick, dann sagte Heidemarie: »Ganz gut.«
    Die armen Kinder. Florian ließ die beiden auf den Rücksitz seines Ford Mondeo klettern und setzte sich selbst auf den Vordersitz.
    »Anschnallen, Mädels«, forderte er, hörte aber bereits das gehorsame Klacken der Gurtschlösser. Er startete den Motor und fuhr los.
    »Wie geht es dir denn, Onkel Florian?«, fragte Heidemarie.
    Florian sog scharf die Luft ein. »Na ja«, gab er dann zu. »Ich bin schon traurig wegen der Tante Jessi, sehr, sehr traurig, wisst ihr.«
    Er sah im Rückspiegel, dass das runde Gesichtchen von Heidemarie heftig nickte.
    »Und wegen dem Baby?«
    Florian schluckte und fragte sich, woher seine Nichten wussten, dass Jessi schwanger gewesen war. Er kam zum Schluss, dass sie es wohl auf der Beerdigung aufgeschnappt haben mussten. »Schon«, meinte er und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr.
    »Mama sagt, du brauchst wegen dem Baby nicht so traurig zu sein, weil es kein richtiges Baby war.«
    »Weil es noch so klein war«, vermutete Florian.
    Heidemarie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht deswegen. Mama hat gesagt, das sei kein richtiges Baby und das würde eh gar nicht in unsere Familie passen.«
    Florian runzelte die Stirn. »Wie, nicht passen?«
    Heidemarie zog die Schultern hoch, wie Florian im Rückspiegel sehen konnte. »Weiß ich doch nicht. Sie hat es einfach gesagt.«
    Florian schwieg.
    »Sie hat gesagt, der liebe Gott hätte bei diesem Baby etwas ganz Schlimmes zugelassen, und deshalb sei es kein richtiges Baby«, erläuterte Heidemarie.
    In Florians Gehirn arbeitete es.
     
    Die beiden Kommissare hatten die DNA-Probe zu Uwe hochgebracht und sich dann ins Büro verzogen. Heiko hatte zwei Automatenkaffees besorgt und betrachtete gebannt ein Tigerauge, während Lisa an den Blättern einer Orchidee herumnestelte. Beide hingen ihren Gedanken nach, bis schließlich das Telefon klingelte. Heiko nahm ab.
    »Was? Der Ehrmann? Ja, stell durch.«
    Er stellte die Anlage auf laut, sodass Lisa alles mithören konnte.
    »Hallo? Herr Ehrmann?«, begrüßte er seinen Gesprächspartner.
    »Ja, äh, hallo Herr Kommissar.«
    »Die Frau Luft hört auch mit.«
    »Is scho recht, hallo, Frau Luft.«
    Lisa murmelte einen
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