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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden
Autoren: Wildis Streng
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hoch zum Hund und legte sich dann hin. Sita legte sich daneben, worauf ihr der Hase, der mit einem Mal ganz zahm wirkte, hingebungsvoll die Pfote leckte.
    »Jetzt schau dir die zwei an«, lachte Lisa. Sie und Heiko lagen auf dem Sofa, eigentlich in einer nicht unähnlichen Position, nur, dass keiner dem anderen die Hand leckte.
    »Findest du nicht auch, dass da eine gewisse Ähnlichkeit besteht?«, befand Lisa. »Welcher von uns zweien wäre denn wohl der Hase?«
    Heiko runzelte die Stirn. Niemand von ihnen war ein Hase. So ein Quatsch. Lisa wühlte nachdenklich in seinen schwarzen Haarsträhnen.
    »Hm«, sagte Heiko. Das fühlte sich gut an, er mochte das.
    »Irgendwie passt weder Hase noch Hund zu uns, findest du nicht?«
    Heiko stimmte aus vollster Überzeugung zu. Sie waren schließlich Menschen und keine Viecher. Lisa zog nachdenklich ihre Finger durch die Strähnen.
    »Ich finde ja immer noch, dass du ziemliche Ähnlichkeit mit einem Schwarzbären hast«, meinte sie dann.
    Heiko gab ein Brummen von sich, das dem eines Bären tatsächlich nicht unähnlich war. Lisa lachte laut. »Ja, genau, Bärchen passt.«

Mittwoch, 09. Oktober
    Diese Gänse. Also diese Gänse auf dem Türschild, die gingen gar nicht. Heiko starrte erneut auf das Schild und vor allem auf die zweitgrößte Gans, die eine Schleife trug und »Elke« hieß. »Lisa, versprichst du mir eines?«, fragte er.
    Lisa zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Du wirst aber niemals ein Gänseschild aus Salzteig basteln und die größte Gans »Heiko« nennen?«
    Lisa stutzte, dann lachte sie schallend. »Nein, da kann ich dich beruhigen, bestimmt nicht, mein Bärchen.«
    Oh verdammt. Jetzt hatte sie sich doch noch einen Kosenamen ausgedacht. Hoffentlich würden die anderen das niemals zufällig aufschnappen, sonst wäre er die Lachnummer des ganzen Reviers. Die Tür ging auf und Elke Schuster stand vor ihnen. Sie trug eine mintgrüne Tunika, die ihre Problemzonen recht gut kaschierte. Außerdem eine weiße Leinenhose und Mokassins. Insgesamt wirkte sie etwas wie ein Modell aus dem Neckermann-Oversize-Katalog, was durch das dezente, ach-so-natürliche Make-up noch unterstrichen wurde. Ein etwas künstliches und schwer deutbares Grinsen erschien auf dem Gesicht der Frau.
    »Guten Morgen, Frau Schuster«, grüßte Heiko. »Wir müssten da was mit Ihnen besprechen.«
    »Aber natürlich. Kommen Sie doch herein.«
    Sie betraten die Wohnung und begaben sich ins Wohnzimmer.
    »Tee? Kaffee?«, bot die üppige Blondine an.
    »Nein, nein, vielen Dank.«
    »Aber ein paar selbst gebackene Cookies«, beharrte die Frau.
    Lisa und Heiko sahen sich an, was die Hausfrau offenbar als Zustimmung deutete. Gleichzeitig rief sie nach ihren beiden Töchtern, die gehorsam die Treppe hinuntertrabten und kurz darauf im Wohnzimmer standen. Sie begrüßten die Kommissare so artig, dass eigentlich nur noch der Hofknicks fehlte. Elke Schuster kehrte mit einem riesenhaften Teller, der mit Keksen beladen war, zurück und stellte das Gebäck vor den Kommissaren ab. »Heidemarie, Annabella, sagt doch mal das neue Herbstgedicht auf«, befahl sie.
    Heiko machte eine abwehrende Handbewegung, aber Lisa knuffte ihn in die Seite. Das hatte eh keinen Sinn. Gehorsam stellten sich die Mädchen auf. Beide holten tief Luft und sagten dann absolut simultan in beängstigender Perfektion:
     
    »Heimkehr: Von Dorothee Wild.
     
    Wie leuchtet der goldne Septemberbaum
    und glüht nur vor Leben und Glanz!
    Doch mit einem Windhauch, gleich einem Traum,
    beginnt bald der Blättertanz.
     
    Sanft sinken die leuchtenden Blätter
    hinab in ihr irdenes Grab.
    Kühl windet herbstliches Wetter
    weht alles Lebendige herab.
     
    Gedenk, Mensch: Auch du wirst einst sinken
    ins Grab tief unter die Erd.
    Tätest den Lebenden winken
    und wärst endlich heimgekehrt.«
     
    Lisa applaudierte höflich und sagte dann: »Toll habt ihr das gemacht. Aber wir würden jetzt gerne mit eurer Mama alleine reden, geht das?«
    Die Mädchen sahen Hilfe suchend zu ihrer Mutter hin, die sie mit einem Wink entließ. »Nehmen Sie doch ein Cookie. Die sind selbst gebacken.«
    Heiko starrte auf den Keksteller und nahm schließlich einen. Auch, wenn allzu viel Freundlichkeit und Höflichkeit dem, was sie vorhatten, nicht zuträglich war. Er steckte sich den Keks in Mund und kaute. Wie erwartet schmeckten die Dinger ganz vorzüglich.
    »Also? Gibt es schon Neuigkeiten von der armen, lieben Jessi?«, fragte Frau Schuster mit einem Grinsen, das
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