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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden
Autoren: Wildis Streng
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überflüssigerweise fest.
    Uwe grinste trotz der Situation. Heiko nahm an, dass das seine Art war, mit solchen Dingen fertig zu werden. »Dein Verstand ist wirklich messerscharf, Herr Wüst.«
    Der Spurensicherer strich sich über die rasierte Glatze und winkte die Kollegen heran. Heiko betrachtete das Opfer. Die Frau war völlig durchweicht. Ihre Haut war blass, aufgeschwemmt und bläulich. Der Gesichtsausdruck der Toten war schmerzverzerrt, trotzdem konnte man noch die Überraschung in ihren Zügen und den angstgeweiteten Augen sehen. Zumindest von der Figur her war die Frau durchaus als attraktiv einzustufen. Inwieweit das auch für ihr Gesicht gegolten hatte, war nun nicht mehr auszumachen. Die hohe Mütze war verrutscht, darunter quollen dunkle Haarsträhnen hervor, die sich schlangengleich über die Schultern der jungen Frau ringelten. Ihr Make-up war bis zur Unkenntlichkeit verlaufen. Die knappe gelbe Uniform war hochgerutscht und entblößte wohlgeformte Oberschenkel, die in einer hautfarbenen Strumpfhose steckten. Lisa wandte sich ab, zwang sich aber kurze Zeit später wieder, hinzuschauen. Der Einstich wirkte beinah unauffällig, auf jeden Fall unspektakulär. Und trotzdem war er präzise ausgeführt und äußerst wirkungsvoll gewesen. Eine Ente quakte auf dem Fluss, äugte neugierig herüber.
    »Wie furchtbar«, fand Lisa.
    »Kein schöner Anblick«, stimmte Uwe zu.
    »Kann man schon was sagen?«
    Der Spurensicherer seufzte. »Der Einstich ist sehr tief. Und wahrscheinlich war es ein Messer. Alles Weitere muss die Pathologie rausfinden.«
    Heiko zog wieder an der Kippe. Der Geruch des Zigarettenqualms überdeckte den leichten Verwesungsgeruch, der bereits von der Leiche aufstieg.
    »Sie hatte wohl keine Zeit, sich zu wehren. Das muss unheimlich schnell gegangen sein. Die Chance, da DNA zu finden, ist auch gering«, fuhr Uwe fort.
    »Warum?«, wollte Lisa wissen.
    »Der Täter musste das Opfer nicht einmal berühren. Der Stich war sozusagen eine saubere Sache. Und dann das Wasser. Vielleicht finden die Ulmer ja trotzdem was, wer weiß. Aber ich denke eher nicht.«
    Die für Crailsheim zuständige Pathologie befand sich in Ulm. Heikos Zigarette glühte rot auf. »Und der Todeszeitpunkt?«, fuhr Lisa fort.
    Uwe strich sich über die Glatze. »Das ist bei Wasserleichen unglaublich schwer. Wir haben die Temperatur der Jagst gemessen. So um die elf Grad. Da kann man den Todeszeitpunkt aber nur schätzen.«
    »Schätz mal?«
    »So zwischen zehn und zwölf, würde ich sagen«, mutmaßte der Spurensicherer.
    Lisa nickte. »Ist sie hier umgebracht worden?«, fragte sie dann weiter.
    Heiko war in solchen Situationen immer merkwürdig still.
    Uwe zuckte die Achseln. »Das wissen wir nicht. Es kann überall passiert sein. Fest steht nur, dass sie in die Jagst geschmissen wurde.«
    »Eine Tasche oder so was gibt es nicht? Handy?«
    Uwe verneinte.
    »Sicher ist es nach dem Leuchtstabauftritt passiert«, ließ sich nun doch Heiko vernehmen.
    »Leuchtstabauftritt?«, wiederholte Lisa verständnislos.
    »Ja, die Majoretten treten immer auf dem Marktplatz auf. Nachts. Mit leuchtenden Stäben und so. Schaut toll aus«, gab Uwe Auskunft.
    »Machst du mir ein Foto?«, bat Heiko.
    Der Spurensicherer nickte.
    »Den Stab habt ihr aber nirgends gefunden?«
    »Nein. Der kann überall sein. Ach ja, das ist Frau Adler, die hat die Tote entdeckt«, informierte Uwe weiter.
    Er wies auf eine kleine, runde Frau, die etwas verloren abseits stand und eine Hundeleine umklammert hielt, an der ein großer, brauner Hund mit gelben Augen angeleint war. Das Tier hatte sich niedergelassen und hechelte gelangweilt, die Frau selbst jedoch wirkte einigermaßen verstört.
    »Sie sind Frau Adler?«
    Die Frau lächelte nervös und strich sich eine Strähne ihres aufgelösten Zopfes aus dem Gesicht. »Ja«, sagte sie mit einer sehr hohen Stimme, die aber ganz hervorragend zu ihr passte.
    »Und?«, fragte Heiko, wenig einfühlsam.
    Lisa warf ihrem Freund einen Blick zu. »Sie haben die Tote gefunden?«, präzisierte sie.
    Frau Adler nickte. »Do hanna is se gleecha.«
    Lisa lächelte. Sie verstand Hohenlohisch immer noch schlecht. Die Frau bemerkte ihr Unverständnis offenbar und bemühte sich fortan um leidliches Hochdeutsch.
    »Ich bin eine Aushilfe vom Tierheim. Wir laufen hier immer mit den Hunden. Ehrenamtlich. Mit dem Volksfest hab ich’s ja eh net so, wissen Sie? Heut Mittag bin ich wie immer mit dem Sultan raus. Ein schöner Hund, gell, könnten
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