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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden
Autoren: Wildis Streng
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Rest des Schuljahres als Memme eingestuft. Sie lenkten ihre Schritte relativ zielstrebig zum Engelzelt, vor dem nun das enorme Pferdegespann vom Festzug stand. »Boah, sind die riesig«, meinte Lisa ehrfürchtig. Der Kutscher, der eine eigentlich bayrische Lederhose trug, trat zu ihnen. »Deffsch ruhich amol noulanga, Maadle«, ermunterte er Lisa. Hilflos sah Lisa zu Heiko, der dem Leitpferd zärtlich über die Nase strich. Der gewaltige Hengst schnaubte anerkennend und sah tatsächlich sehr lieb aus. »Das sind Kaltblüter«, erklärte Heiko. »Ackergäule.«
    »Schöne Tiere«, lobte Lisa und erntete ein anerkennendes Lächeln vom Pferdekutscher. »Gehen wir doch zuerst auf die Ausstellung«, schlug Heiko vor, nachdem er Lisa endlich von den Gäulen hatte loseisen können.
     
    »Ausstellung?«, wollte Lisa wissen. »Was für eine Ausstellung?«
    Heiko grinste. »Haja, da wird halt … Zeug ausgestellt, so verschiedenes halt.«
    »Und was?«
    Lisa hoffte auf Bilder und Kunsthandwerk, glaubte aber nicht wirklich daran. Sicherlich gab es auch hier wieder eine Überraschung.
    »Superkleber, Bulldogs, Putzmittel, Baustoffe und Hasen.«
    »Hasen?«
    »Ja, Hasen.«
    »So wie bei unserem letzten Mordfall?«
    »Ja, und ein Flugzeug ist auch immer dabei.«
    Er führte seine Freundin über den Volksfestplatz. Es roch nach gebrannten Mandeln und Magenbrot. Lisa entdeckte Lebkuchenherzen in allen Varianten. Von überall her dröhnten die Stimmen der Anpreiser. »Jedes Los ein Gewinn, meine Damen und Herrn, bei uns gibt es keine Nieten. Holen Sie sich einen Sponge Bob, einen Manfred oder eine Schlange. Jedes Los gewinnt.« Bei der »Petersburger Schlittenfahrt« spielten sie »Country Roads«. Die Kommissare bogen vor dem Riesenrad links ab und betraten damit das Areal der Ausstellung. Heiko hatte nicht übertrieben, wie Lisa nun feststellte. Hier gab es tatsächlich alles. Sie passierten einen Stand mit Neuwagen, ließen die Traktoren und Häcksler links liegen, registrierten kurz die beiden Hallen im Hintergrund mit den Ausstellungen des Sportfliegervereins und des Kleintierzuchtvereins und steuerten dann auf einen riesigen Horaff aus Stein zu, an dem ein junger Mann mit einem großen Schlägel und einem filigran aussehenden Meißel eifrig herumklopfte. Lisa mochte Horaffen, seit sie während einer ihrer Debattierpausen im Kaffee Kett entdeckt hatte, dass diese ganz außerordentlich schmackhaft waren. Horaffen waren das Crailsheimer Nationalgebäck und dem Hinterteil der korpulenten Bürgermeisterin nachempfunden, die vor rund 650 Jahren mit ihrer Leibesfülle die Belagerer der Stadt von der Aussichtslosigkeit ihres Vorhabens überzeugt und Crailsheim damit gerettet hatte.
    Nachdem sie das Kunstwerk ausgiebig bewundert hatten, beschloss Heiko: »Jetzt gehen wir erst mal zu den Kleintierzüchtern. Kaffee trinken«. Lisa nickte. Gute Idee. Heiko steuerte auf die rechte der beiden Hallen zu, die eher wie eine riesige Scheune aussah. Ein Plakat mit verschiedenen Kleintieren wies auf die Kleintierausstellung des Kleintierzuchtvereins Crailsheim hin. Heiko und Lisa betraten den Raum und sahen zuerst ein riesiges Glücksrad. »Wenn man gewinnt, kriegt man entweder einen Regenschirm, eine Taschenlampe, einen Hasen oder ein Meerschweinchen«, erläuterte Heiko. Tatsächlich hockten an der Wand mehrere Tiere in Käfigen und äugten augenscheinlich misstrauisch zum Glücksrad hinüber, ganz so, als wüssten sie, was Sache war. Vor dem Glücksrad stand Silke Weidner, die Tochter des letzten Crailsheimer Mordopfers. »Oh, die Kommissare«, sagte sie und grinste. »Na, wollt ihr mal drehen?«
    »Danke, mir hen scho an Hoos«, meinte Heiko und winkte lachend ab. Von Silkes Bruder hatten sie nach erfolgreicher Aufklärung des Mordes aus lauter Dankbarkeit den Abkömmling des Preisrammlers Alfred geschenkt bekommen. Der Einfachheit halber hatten sie den Hasen ebenfalls Alfred getauft. Inzwischen hatten sich Heikos Rauhaardackel Sita und der Deutsche Riesenschecke angefreundet und waren ein unzertrennliches Paar geworden. »Und, wie läuft die Hasenzucht?«, fragte Lisa. Silke nickte. »Alles bestens, die Mutter hat dieses Jahr den Gesamtsieger geholt.«
    »Ah, dann schau mer uns die Ausstellung nachher mal an.«
     
    Kurze Zeit danach saßen sie bei Kaffee und Kuchen an den Biertischen des Kleintierzuchtvereins.
    Heiko stach ein Stück von seinem Käsekuchen und steckte es in den Mund. Es schmeckte hervorragend. Die Landfrauen beherrschten
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