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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden
Autoren: Wildis Streng
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eben ihr Handwerk.
    Lisa aß ein Stück Erdbeerbiskuitrolle und leckte sich genießerisch die schönen Lippen. Heiko küsste sie flüchtig auf den Mund. Bei so leckerem Kuchen brauchte man sich auch nicht groß zu unterhalten.
     
    Eine Viertelstunde später standen die beiden an der Kasse, die auf einem Biertisch errichtet war. Fritz Maler, ebenfalls ein Bekannter aus dem letzten Fall, thronte auf der Bierbank, flankiert von seiner sehr rosigen und sehr blonden Frau Hedwig und seinem Kumpanen Herbert Winterbach. Mit großer Hingabe und wichtiger Miene riss Herbert zwei Eintrittskarten ab, Fritz kassierte die vier Euro und wünschte den Kommissaren viel Spaß. Sie durchwanderten die Reihen mit den Käfigen. Kaninchen in allen Farbschattierungen gab es, enorme Hähne, die andauernd krähten, quiekende Meerschweinchen, und Tauben mit Federn auf den Füßen. »Und hier kann man die Produkte kaufen«, erläuterte Heiko und wies auf die terrassenartig aufgebaute Tribüne, wo tatsächlich mehrere Patchwork-Kissen und Damenjacken aus Hasenfell sowie gehäkelte Klorollenpuppen und Ähnliches dekorativ arrangiert waren. »Also, nein, das ist ja geschmacklos«, fand Lisa und meinte damit die Fellprodukte. »Ach, die sterben bestimmt alle eines natürlichen Todes«, grinste Heiko. Die Kommissarin schüttelte den Kopf, stieß aber kurz darauf einen spitzen Schrei aus, als sie ein, wie sie erklärte, »absolut kultiges« gehäkeltes Schwein im grünen Rüschenkleidchen erblickte. Sie kaufte das hässliche Ding sofort und konnte kaum fassen, dass es nur fünf Euro kostete.
     
    Annette Adler hatte nicht viel für das Volksfest übrig. Und die Hunde mussten sowieso raus. Ihr Liebling war der Sultan, ein schöner, großer Mischling mit goldenen Augen, einer langen Schnauze und Hängeohren. Sie hätte ihn gerne mitgenommen, zu sich nach Hause. Aber sie konnte in der kleinen Wohnung keinen Hund halten. Außerdem war ihr Mann dagegen. Da half sie eben im Tierheim aus, waren sowieso arme Viecher. Es war herzzerreißend, zu sehen, wie sich die Hunde freuten, wenn sie ihre Unterkunft verlassen durften. Und der Sultan war deshalb ihr besonderer Liebling, weil er nicht wie die anderen auffordernd kläffte, sondern sie nur traurig aus seinen goldenen Augen ansah. Wenn sie allerdings die Leine holte, klopfte sein langer, gebogener Schwanz in schneller werdendem Rhythmus auf den Boden und der Hund sprang endlich glücklich winselnd auf. Jetzt durchstreiften sie das Jagstufer, und Sultan schnupperte zufrieden im Blutweiderich, der das Ufer mit purpurfarbenen Tupfen sprenkelte. Das Gras raschelte, wenn die Hundeschnauze es hin und her schob. Schließlich strebte der Hund auf eine große Trauerweide zu, die ihre Äste ins Wasser tauchte. Annette Adler bückte sich und betrat den kathedralenartigen Innenraum, der durch die herabhängenden Zweige entstand. Schlagartig war sie in fahlgrünes Licht getaucht. Sie sah, wie der Hund das graugrüne Wasser der Jagst trank. Dann sah sie ihn innehalten. Seine Nase vibrierte aufgeregt, während er einem Geruch nachspürte.
     
    Kurz darauf klingelte Heikos Handy und beendete den sorglosen Bummel über den Volksfestplatz abrupt. Sie wurden zur Jagst bei der Heldenmühle beordert, wo die Leiche einer jungen Frau gefunden worden war.
     
    Heiko konnte die Feuchte des Flusses durch seine Schuhe spüren. Flüchtig berührte er Lisa an der Schulter und lächelte aufmunternd. Leichen waren etwas Furchtbares. Schlimm, schon. Bisher hatte es im beschaulichen Hohenlohe ja nicht allzu viele Morde gegeben – Gott sei Dank. Aber jeder einzelne war einer zu viel. Uwe Walter, der Crailsheimer Spurensicherer, kam auf die beiden zu. Wie immer am Tatort, steckte er in einem weißen Plastikanzug. »Sie wurde erstochen«, informierte er und wies auf das gelbschwarze Bündel, das sich am Flussufer zwischen den herabhängenden Ästen einer Trauerweide verfangen hatte. Eigentlich eine schöne Gegend, die Jagst an der Heldenmühle. Weit draußen, noch hinter dem Tierheim. Das Ufer von Trauerweiden gesäumt, die ihre Äste tief ins Wasser streckten. Mischwälder im Hintergrund. Die aufragenden Gebäude der Heldenmühle wirkten inmitten dieser Landschaft geradezu poetisch. Und ausgerechnet an diesem romantischen Ort hatte man die Leiche der jungen Frau entdeckt. Noch war sie nicht identifiziert, aber das dürfte nicht schwer werden. Denn immerhin trug sie eine Majorettenuniform.
    »Sie muss eine Majorette sein«, stellte Heiko
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