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Transfer

Transfer

Titel: Transfer
Autoren: Stanislaw Lem
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zwischen wichtigeren Dingen - im Namen der Wissenschaft…«
    Ich stand auf. »Danke Gimma, daß er sich so für uns einsetzte… «
    Thurber stand ebenfalls auf. Wir maßen uns mit den Blicken, vielleicht eine Sekunde lang. Er war kleiner als ich, aber das war nicht spürbar. Seine körperliche Größe war gar nicht von Bedeutung. Sein Blick war die Ruhe selbst.
    »Erteilst du mir nun das Wort, oder bin ich schon verurteilt?« fragte er.
    Ich brummte irgend etwas Unverständliches.
    »Dann setz dich«, sagte er, und ohne darauf zu warten, fiel er selbst schwer zurück in seinen Sessel. »Irgend etwas hast du also doch gemacht«, sagte er in einem Ton, als ob wir bisher nur über das Wetter gesprochen hätten. »Du hast Starck gelesen, ihm geglaubt, hältst dich nun für betrogen und suchst die Schuldigen. Sollte dir daran wirklich liegen, so bin ich bereit, die Schuld auf mich zu nehmen. Aber nicht darum geht es. Starck hat dich überzeugt- nach diesen ganzen zehn Jahren? Bregg - ich wußte wohl, daß du ein Hitzkopf bist, vermutete aber nie, daß du dumm wä-
    rest.« Er schwieg eine Weile. Und ich - komischerweise - fühlte zugleich Erleichterung wie ein Vorgefühl der Erlösung. Ich hatte keine Zeit mehr, über mich selbst nachzudenken, denn nun sprach er schon wieder:
    »Ein Kontakt der galaktischen Zivilisationen? Wer hat dir davon erzählt? Keiner von uns und keiner der Klassiker, weder Merquier, noch Simoniadi, noch Rag Ngamieli- niemand, keine Expedition rechnete mit einem Kontakt, und daher ist dieses ganze Gequassel über Archäologen, die da in der Leere herumreisen, über jene ewig verspätete Post der Galaxis, eine Bekämpfung von Thesen, die niemand je aufgestellt hat. Was kann man denn von den Sternen haben? Und was war der Nutzen der Expedition von Amundsen? Von Andree? Der einzige konkrete Nutzen beruhte darin, daß eine - Möglichkeit bewiesen worden ist. Daß man so etwas tun kann. Und genauer gesprochen- daß dies, für die gegebene Zeit, das Schwierigste ist, was man erreichen kann. Ich weiß nicht, ob wir sogar das gemacht hatten, Bregg. Weiß es wirklich nicht. Aber wir sind dort gewesen.«
    Ich schwieg. Thurber sah mich nicht mehr an. Er stützte die Fäuste auf den Schreibtischrand.
    »Was hat dir denn Starck bewiesen - die Nutzlosigkeit der Kos-modromie? Als ob wir es selbst nicht wußten! Und die Pole? Was gab es an den Polen? Diejenigen, die sie eroberten, wußten ge -nau, daß es dort nichts gibt. Und der Mond? Was suchte wohl die Ross-Gruppe in dem Erastrotenes-Krater? Brillanten? Und wozu sind Bant und Jegorin durch das Zentrum der Merkurscheibe gegangen? Um schön braun zu werden? Und Kellen und Offshag-das einzige, was sie wußten, als sie auf die kalte Zerberus-Wolke zuflogen, war, daß man dort umkommen kann. Bist du dir im klaren, was Starck wirklich sagt? Der Mensch muß essen, trinken und sich kleiden; alles andere ist Irrsinn. Jeder hat seinen eigenen Starck, Bregg. Jedes Zeitalter hatte ihn. Wozu hat denn Gimma euch beide mit Arder hinausgeschickt? Damit ihr Proben mit dem Koronasauggerät holt. Aber wer schickte Gimma? Die Wissenschaft. Wie sachlich das doch klingt - nicht? Die Erkundung der Sterne.
    Bregg, glaubst du, daß wir geflogen wären, wenn es sie nicht gegeben hätte? Ich glaube, schon. Wir hätten dann die Leere kennenlernen wollen, um das Ganze irgendwie zu rechtfertigen. Geonides oder irgendein anderer würde uns sagen, was für wertvolle Messungen und Erkundungen man da unterwegs machen kann. Versteh mich richtig. Ich behaupte nicht, daß die Sterne nur ein Vorwand sind… Der Pol ist es ja auch nicht gewesen, Nansen und Andree brauchten ihn… Der Everest war für Mallory und Irving nötiger als die Luft selbst. Du sagst, ich hätte euch Befehle
    - im Namen der Wissenschaft - erteilt? Aber du weißt doch, daß das nicht stimmt. Du wolltest mein Gedächtnis auf die Probe stellen. Vielleicht probiere ich nun das deine aus? Erinnerst du dich an den Thomas-Planetoiden?« Ich zuckte zusammen.
    »Du hast uns damals belogen. Du bist ein zweites Mal hingeflogen, obwohl du wußtest, daß er nicht mehr lebte. Stimmt’s?«
    Ich schwieg.
    »Hab es mir schon damals gedacht. Ich sprach mit Gimma nicht darüber, nehme aber an, er wußte es auch. Wozu bist du denn noch mal geflogen, Bregg? Das war doch nicht mehr Arkturus oder Kerenea, und es gab dort niemanden mehr zu retten. Wozu wolltest du also hin - Mensch?«
    Ich schwieg. Thurber lächelte unmerklich.
    »Weißt du, was
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