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Traeume, zart wie Seide

Traeume, zart wie Seide

Titel: Traeume, zart wie Seide
Autoren: Jessica Bird
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unverdorben. Sie strahlte eine solche Unschuld und Reinheit aus, dass er sich dagegen schmutzig und alt vorkam. Schmutzig, weil er seine Karriere in Washington tatsächlich ziemlich skrupellos verfolgte. Und alt, weil er außer Zynismus und Ehrgeiz kaum noch Gefühle in sich entdecken konnte.
    Fluchend riss sich Gray vom Fenster los und zog sich weiter an. Auf einmal hatte er es so eilig, nach unten zu kommen, dass er beinahe auf das Gefummel mit den Manschettenknöpfen verzichtet hätte. Gleichzeitig ärgerte er sich über sich selbst. Ausgerechnet er ließ sich von einer Frau, die er kaum kannte, so aus der Ruhe bringen? Kein gutes Zeichen, das stand fest …

2. KAPITEL
    Joy lehnte ihr Rad an die Hauswand und schaute sich um. Sie war selbst in einem großen Haus aufgewachsen, aber Grays dreistöckiger Familiensitz wirkte dagegen wie ein kleines Schloss. Die cremefarbenen Steinmauern und glänzend schwarz gestrichenen Fensterläden verstärkten diesen Eindruck noch.
    „Hurra, da bist du ja!“, rief Frankie ihr aus der Küche entgegen. „Hättest du Lust, die Windbeutel zu füllen?“
    Joy drehte ihr Haar zusammen und war dabei, es mit einer Klemme festzustecken, als sie die Küche betrat. „Schon zur Stelle“, sagte sie. „Zeigt mir einfach, wie …“
    Der Schlag traf sie so heftig, dass sie rückwärts gegen die Wand taumelte und beinahe das Gleichgewicht verlor. Etwas Feuchtes rann an ihr herab, dann hörte sie ein lautes Scheppern. In der Küche wurde es totenstill.
    Aus Tom Reynolds’ Gesicht war alle Farbe gewichen, und er starrte sie entsetzt an. „Hast du dir wehgetan?“ Er streckte die Hand nach ihr aus. „Ich habe dich nicht gesehen. Das tut mir so leid. Ich …“
    Joy schaute an sich herunter. Ihre weiße Bluse und schwarze Hose waren von oben bis unten mit Tortellini und Pesto bedeckt. Die grünen Spritzer wirkten wie Blut in einem Film mit Außerirdischen. Joy musste grinsen.
    „Mir geht’s gut“, beruhigte sie Tom, der aussah, als würde er gleich zusammenklappen. „Nichts weiter passiert.“
    Tom öffnete den Mund, um sich noch einmal zu entschuldigen, aber Nate legte ihm eine Hand in den Nacken und schob ihn zur Seite. „Ganz ruhig, Kleiner. Wer langsam geht, kommt schneller ans Ziel.“
    Frankies Verlobter war groß und muskulös und trug auch in der Küche meist Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Doch obwohl er nicht dem typischen Bild eines Sternekochs entsprach, wirkte er am Herd wahre Wunder.
    „Alles klar, Engelchen?“, fragte er Joy.
    Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Bestens. Und wegen der Vampire brauchen wir uns jetzt auch keine Sorgen mehr zu machen. Mit diesem Knoblauchparfum schlage ich problemlos Graf Dracula persönlich in die Flucht.“
    Kopfschüttelnd trat Frankie heran. „Tja, so kannst du wohl nicht bleiben. Im Nebenzimmer habe ich vorhin ein paar Personaluniformen gesehen, ich werde mal schauen, ob ich was Passendes finde.“
    Nate ging in die Hocke und machte sich daran, die Tortellini vom Boden aufzusammeln. „Jetzt müssen wir uns was einfallen lassen“, sagte er. „Wir haben nicht genug Zeit, um neue zu machen, also brauchen wir was, was schneller geht.“
    Auch Tom sank auf die Knie und fing an, die Bescherung zu beseitigen. „Ich brauche diesen Job wirklich“, flüsterte er verzweifelt.
    Stirnrunzelnd hob Nate den Kopf. „Hat ja auch keiner gesagt, dass du gefeuert bist“, erklärte er gutmütig. „Wenn du wüsstest, was ich während meiner Ausbildung schon alles hab fallen lassen.“
    Joy legte Tom eine Hand auf die Schulter. „Es war doch nur ein Zusammenstoß. Ich hätte auch besser aufpassen sollen, wo ich hinlaufe.“
    Der junge Koch wurde rot. „Das ist nett von dir.“
    Kurz darauf kam Frankie mit einer Frau zurück, die ein schwarz-weißes Kellnerinnen-Outfit über dem Arm trug. „Ach herrje, Sie Arme“, sagte die ältere Angestellte mitfühlend. „Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen, wo Sie sich duschen und umziehen können.“
    Sie nahm Joy einfach bei der Hand, und Joy ließ sich fortführen.
    „Ich bin Libby, die Haushälterin vom alten Mr. Bennett“, erklärte die Frau, als sie eine Hintertreppe hinaufstiegen. „Wenn er hier ist, bin ich auch seine Sekretärin, Empfangsdame und Mädchen für alles.“
    Am Ende des Flurs öffnete Libby eine Tür, und sofort sprang ein honigfarbener Golden Retriever heraus. Er leckte Libby kurz die Hände, dann rannte er auf Joy zu und lief schwanzwedelnd um sie herum.
    Libby versuchte,
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