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Traeume, zart wie Seide

Traeume, zart wie Seide

Titel: Traeume, zart wie Seide
Autoren: Jessica Bird
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vorbei. Ich will dich nie wieder sehen.“
    Sie griff nach ihren Sachen, drehte sich um und ging hinaus.
    Der Bahnhof war trotz der späten Stunde noch ziemlich voll, und viele Leute sahen sie neugierig an. Eigentlich hatte sie sich in der Suite umziehen wollen, aber jetzt trug sie noch immer ihr auffallendes Abendkleid. Zum Glück stand der Zug schon bereit, und sie eilte zum vorletzten Wagen, in dem sie einen Platz reserviert hatte. Ein Schaffner sprach sie an: „Brauchen Sie Hilfe, Ma’am?“
    „Nein, danke.“
    Dennoch griff er nach ihrem Koffer und half ihr in den Waggon. Seine Fürsorglichkeit ließ sie beinahe die Fassung verlieren. Sie beeilte sich, an ihren Platz zu kommen. Erleichtert sah sie, dass der Wagen ziemlich leer war. Endlich konnte sie in Ruhe weinen.
    Als der Zug sich langsam in Bewegung setzte, hörte sie von draußen laute Stimmen und Rufe, doch sie beachtete den Lärm nicht weiter. Erst, als sie schon Fahrt aufgenommen hatten und jemand ein paar Reihen vor ihr rief „Mein Gott, er will springen!“, schaute sie auf.
    Die anderen Fahrgäste drängten sich an den Fenstern auf ihrer Seite, und unwillkürlich schaute sie hinaus. Ein Mann rannte neben dem Zug her, und er rief etwas, was sie nicht verstand. Lieber Himmel, war das etwa Gray?
    Sie sprang auf, um besser zu sehen, als der Mann immer weiter zurückblieb. Im gleichen Moment setzte Gray zum Sprung an.
    „Gray!“, schrie sie entsetzt.
    Jetzt kommt’s drauf an, dachte Gray, als er den Sprung auf die Plattform des letzten Wagens wagte. Unter ihm rasten die Gleise entlang, und der Zug näherte sich einem Tunnel. Wenn er abrutschte oder danebengriff …
    Doch er hatte den Abstand gut eingeschätzt und bekam das Geländer zu fassen, sodass er sicher auf der Plattform landete. Er hielt kurz inne, um Atem zu schöpfen, dann stieß er die Tür zum Waggon auf, eilte den Gang entlang und suchte die Sitzreihen ab. Die Leute beeilten sich, ihm Platz zu machen. Ganz vorn im nächsten Wagen sah er Joys glänzendes Kleid. Sie stand im Gang und starrte ihn entsetzt an.
    „Das mit uns ist noch nicht vorbei!“, rief er und verdoppelte sein Tempo. „Joy! Wir gehören zusammen!“
    Als er sie endlich erreicht hatte, blieb er atemlos stehen und hielt sich an der Rückenlehne des Sitzes hinter ihr fest. „Es ist noch nicht vorbei!“
    „Willst du dich umbringen?“, fragte sie erschüttert.
    Ein Schaffner kam heran. „Sir, Sie müssen …“
    Gray steckte die Hand in die Tasche, zog etwas hervor und streckte es ihm hin. „Hier ist meine Fahrkarte.“
    Der Schaffner nahm sie, schaute aber nicht drauf, sondern wandte sich an Joy: „Entschuldigen Sie, Ma’am, belästigt Sie dieser Mann?“
    Joy schüttelte den Kopf, doch sie brachte kein Wort hervor.
    „Ich liebe dich“, sagte Gray.
    Jetzt sah sie ihn an, als hätte er völlig den Verstand verloren. „Was?“
    „Ich liebe dich! Joy Moorehouse, ich liebe dich!“, rief er.
    „Ma’am?“, fragte der Schaffner besorgt.
    „Nein, er belästigt mich nicht, aber er ist ganz offensichtlich verrückt geworden.“ Sie griff nach Grays Arm und zog ihn auf den freien Platz neben ihrem. „Was zum Teufel …?“
    Er legte die Hände um ihr Gesicht und küsste sie stürmisch. „Ich liebe dich“, wiederholte er schließlich. „Und ich hoffe so sehr, dass es noch nicht zu spät ist.“
    Verständnislos sah sie ihn an. „Ich verstehe nicht …“
    „Wie lange dauert die Fahrt?“
    „Etwas über drei Stunden.“
    „Sehr gut. Ich muss dir nämlich eine Menge erzählen.“
    Und er erzählte. Als sie sich Albany näherten, hatte Joy von seiner verkorksten Kindheit erfahren, von den Lügen, die er sich schon als kleiner Junge hatte ausdenken müssen, um zu verhindern, dass sein Vater von den Affären seiner Mutter erfuhr.
    „Damals habe ich mir geschworen, dass ich mich niemals einer Frau ausliefern würde“, gestand er leise. „Und plötzlich kniete ich vor dir und schüttete dir mein Herz aus – da habe ich einfach Panik bekommen. Es tut mir so leid, was ich dir damit angetan habe und dass es so lange gedauert hat, bis ich es begriffen habe. Du hast mir nie einen Grund zum Misstrauen gegeben.“
    Nervös fuhr er sich durch die Haare. „Als du heute gegangen warst, dachte ich, ich bekäme einen Herzinfarkt, so weh tat es. Ich kann verstehen, wenn du endgültig genug von mir hast. Aber ich wollte dich nicht gehen lassen, ohne dir wenigstens zu sagen, was ich für dich empfinde. Ich liebe dich,
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