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Traeume, zart wie Seide

Traeume, zart wie Seide

Titel: Traeume, zart wie Seide
Autoren: Jessica Bird
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deutlicher zeigen?
    Auf einmal stieg schreckliches Heimweh in ihr auf. Sie sehnte sich nach ihrer Familie und der vertrauten Umgebung, in der sie sich sicher und geborgen fühlte. Kurz entschlossen packte sie ihre Sachen. Bis zum Empfang würde sie noch durchhalten, doch sofort danach würde sie den letzten Zug nach Norden nehmen und das Waldorf Astoria und Gray endgültig hinter sich lassen.
    Am nächsten Abend bestieg Gray den Flieger zurück nach New York. In den letzten beiden Tagen hatte er kaum eine ruhige Minute gehabt, und das Schlimmste waren die Schuldgefühle.
    John Beckin hatte sich umgebracht.
    Während Gray sich um die politischen Folgen kümmerte und gleichzeitig für die Medien wohlüberlegte Stellungnahmen abgab, beschäftigte ihn immer wieder die Frage, ob er den Mann mit seinen harten Drohungen zu dieser Verzweiflungstat getrieben hatte.
    Erst ein Anruf seines Vaters verschaffte ihm etwas Erleichterung. Von ihm erfuhr er, dass Anna Shaw ihn kontaktiert hatte – die Reporterin, die die Artikel mit den Insiderinformationen geschrieben hatte.
    „Sie wollte eine Stellungnahme“, hatte sein Vater erzählt. „Am Ende habe ich gesagt, dass ich ihn vermissen würde. Weißt du, was sie antwortete? ‚Ja, ich auch. Er war die beste Quelle, die ich je hatte.‘“
    Im ersten Moment wusste Gray nicht, was er sagen sollte. Beckin hatte ihn nicht nur auf seinen Freund Roger Adams angesetzt, um sich dessen Frau zu angeln. Er wollte Roger auch seine eigenen Fehler anhängen! Wahrscheinlich hatte auch Beckin mit Anna Shaw geschlafen und ihr dabei die Insiderinformationen selbst anvertraut.
    Das Wissen um Beckins ungeheuerlichen Betrug linderte Grays Gewissensbisse ein wenig. Er hatte recht gehabt, dem Mann den Rücktritt nahezulegen. Trotzdem: Hätte er ahnen müssen, dass Beckin so sehr an der Macht hing, dass er sich lieber das Leben nahm?
    Es war schon acht, als er in New York landete, deshalb fuhr er direkt zum Congress Club. Als er sich dem Ballsaal näherte, hörte er Stimmengewirr und Gläserklirren. In der großen Flügeltür blieb er stehen und ließ den Blick über die Menge schweifen.
    Joy trug ein messingfarbenes Kleid, das ihren schlanken Körper umschmeichelte. Die aufsehenerregende Farbe passte perfekt zu ihrem rotblonden Haar, das ihr in weichen Locken offen über den Rücken floss. Sie sprach gerade angeregt mit einer Journalistin, und die Umstehenden starrten sie bewundernd an.
    Sie braucht mich nicht, dachte er stolz. Sie hat alles unter Kontrolle.
    Ein Mann drängte sich durch die Menge und stellte sich neben Joy. Als er ihr den Arm um die Taille legte, zuckte Gray zusammen, doch er spürte, dass es nur ein Reflex war. Joy trat höflich, aber bestimmt zur Seite, und der Mann ließ seinen Arm sinken.
    Joys Reaktion freute ihn, aber tief im Innern wusste er jetzt, dass sie an anderen kein Interesse hatte. Nach ihrer gemeinsamen Nacht würde er nie wieder an ihren Gefühlen zweifeln. Seine schlechten Erfahrungen hatten keine Macht mehr über ihn – jedenfalls nicht, wenn es um Joy ging.
    „Grayson Bennett! Wie schön, Sie hier zu sehen. Ich bin von der New York Post hier, wegen der Story über die neue Designerin. Aber wo ich Sie gerade treffe – würden Sie mir ein paar Fragen über Beckins Tod beantworten?“
    „Nein.“
    „Hat Sie sein Selbstmord überrascht? Haben Sie eine Ahnung, warum er sich umgebracht hat?“
    In diesem Moment erspähte ihn ein Journalist der Times und kam ebenfalls auf ihn zu. Einige andere Leute erkannten ihn und begannen zu flüstern. Hastig drehte Gray sich um und verließ den Klub. Auf keinen Fall wollte er Joys Triumph stören. So gern er bei ihr gewesen wäre, seine Anwesenheit würde das Thema auf den Beckin-Skandal bringen und die Journalisten von ihr ablenken.
    Besser, er wartete in der Suite auf sie.
    Als Joy den Mann, der so dreist den Arm um sie legte, abblitzen ließ, sah sie aus dem Augenwinkel, wie Gray sich in der Flügeltür umdrehte und eilig davonging.
    Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
    Offenbar glaubte er immer noch, dass sie mit jedem Mann schlief, der sie zu lange ansah.
    „Joy? Alles okay bei dir?“ Cassandra schaute sie fragend an.
    „Ja, danke.“
    „Ich möchte dir Lula Rathbone von der Vogue vorstellen …“
    Zwei Stunden später saß sie endlich im Taxi und ließ sich zum Waldorf Astoria bringen. Hoffentlich war Gray nicht dort.
    Leise öffnete sie die Tür der Suite und lauschte. Da alles still blieb, eilte sie ins
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