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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel
Autoren: Franziska Gehm
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Das musste ja kommen.
    F: Jedes Mal waren mehrfache Schlägereien der Grund.
    A: Na klar. Warum es zu den Schlägereien kam, steht natürlich nicht in Ihren Akten.
    F: Sag du mir es.
    A: Was würden Sie denn machen, wenn schon der Weg zur Schule der reinste Spießrutenlauf ist? Wenn Ihnen von hinten verfaulte
     Äpfel an den Kopf geworfen werden, ins Gesicht gepinkelt wird, Raupen in die Sportklamotten gelegt werden, auf jeder Pinnwand
     im Netz über einen abgelästert wird, die Lehrer hinter vorgespielter Entrüstung cool tun, weil sie eigentlich froh sind, dass
     der Neunmalkluge endlich eins auf den Deckel kriegt, oder Ihnen einfach nur stillschweigende Verachtung entgegengebracht wird?
     Wenn Sie derjenige sind, der alle vereint in ihrem Hass. Würden Sie einfach beide Backen hinhalten und einstecken? Ich nicht.
     Ich bin kein Opfer. Das haben bis jetzt noch alle merken müssen.
    F: Ich sage auch nicht, dass du ein Opfer bist. Ich sage, du bist der Täter.
    ***
    Flora stand am Wohnzimmerfenster. Sie hatte die Arme um ihre Hüfte gewunden und Trixi den Rücken zugewandt.
    »Stimmt das?« Trixis Stimme klang wie eine Porzellantasse, die jeden Moment auf dem Steinboden zerschellt. »Du hast gegen
     Hagen Anzeige erstattet?«
    Flora nickte.
    »Also   ... also war er das am See?«
    Flora drehte den Kopf zu Trixi. Sie sah sie an, die Augen starr und verschlossen, sagte nichts.
    »Hast du es die ganze Zeit gewusst?«, fragte Trixi schließlich.
    Flora senkte den Blick, zuckte leicht mit den Schultern. »Unbewusst vielleicht. So richtig klar geworden ist es mir erst damals,
     als ihr alle zusammen vor der Tür gestanden habt und die Polizei Patrick festnehmen wollte. Erst wusste ich nur: Es war nicht
     Patrick. Und dann   ...«
    »Dann hast du Hagen neben mir stehen sehen.« Trixi setzte sich langsam auf einen Hocker, der verloren mitten im Wohnzimmer
     stand. Ihr linkes Bein zitterte. Sie legte die Hand darauf, versuchte, es unter Kontrolle zu bekommen.
    »Ich   ... wollte es selbst nicht wahrhaben«, fuhr Flora fort. »Ich dachte, das kann überhaupt nicht stimmen. Er ist der Sohn vom
     Freund meiner Mutter   ... Ich dachte, ich bilde mir etwas ein.«
    Trixi starrte auf die Wohnzimmerwand. »Er warimmer in deiner Nähe. Er hat im Zimmer neben dir geschlafen. Er hätte dir jederzeit wieder etwas antun können.«
    »Oder dir.« Flora ging einen Schritt auf Trixi zu. »Verstehst du jetzt, warum ich so sauer war, als du mir von ihm erzählt
     hast? In dem Moment habe ich begriffen, dass ich zur Polizei gehen muss. Dass ich nicht weiter so tun kann, als wäre die Sache
     am See nie passiert.«
    Trixi schluckte. Sie dachte daran, wie sie heute zu Hagen ins Auto gestiegen war. Wie sie an den See gefahren waren. Wie sicher
     und geborgen sie sich mit Hagen im Auto gefühlt hatte, als aus den dunklen Wolken die ersten Tropfen fielen. Hagen hatte sich
     nach vorne zur Windschutzscheibe gebeugt, zum Himmel gesehen, gelächelt und »perfektes Wetter« gesagt.
    Perfektes Wetter. Wozu?
    Trixi schloss die Augen, sah Hagens Gesicht vor sich, ihr wurde schwindlig, sie öffnete sie wieder. Es war alles so verkehrt.
     Die Gefühle und Gedanken passten nicht zusammen. Sie hatte alles gehört, was Flora gesagt hatte, sie hatte es begriffen, aber
     sie fühlte es noch nicht. Immer wieder sah sie Hagens Gesicht vor sich, im Regen, seine klaren Augen hinter den Brillengläsern,
     und hörte seine Worte:
Du musst mir einfach glauben. Bitte .
    Wie konnte ein Mensch sich so verstellen? Wie konnten die Hände, die sie behutsam berührt hatten,Flora ins Fleisch schneiden? Oder lag es an ihr, war sie nur blind? Vielleicht hatte es Anzeichen gegeben, sie hat sie übersehen.
     Wollte sie nicht sehen. Flora hatte recht gehabt: Sie kannte ihn kaum. Wusste nichts über seine Vergangenheit. Wollte nichts
     mehr über seine Zukunft wissen. Gerade eben, da hatte sich alles noch so richtig angefühlt. Wie konnte richtig so falsch sein?
    Flora kam langsam auf Trixi zu. Sie hockte sich vor ihre Freundin, lehnte ihre Stirn an die von Trixi.
    »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Trixi und schluckte die Tränen weg.
    »Mit Hagen?«
    Trixi nickte.
    »Es wird einen Prozess geben«, sagte Flora.
    »Und bei euch zu Hause, mit Götz und so?«
    »Meine Mutter hat sich von ihm getrennt. Er ist schon weg. Hat Hagens Sachen mitgenommen.«
    Trixi blies sich den Pony aus der Stirn. »Ich glaub, jetzt muss ich den Kopf erst mal in eine Waschtrommel stecken.« Sie
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