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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel
Autoren: Franziska Gehm
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Minuten
     mit dem Auto. Vielleicht auch fünfzehn, wenn viel Verkehr ist. Was nachts um halb eins kaum der Fall sein dürfte. Du hast
     eine Stunde für die Strecke gebraucht. Hast du das Auto geschoben oder bist du von der Tankstelle aus gar nicht in die Edvard-Grieg-Straße
     gefahren? Vielleicht bist dunur rüber auf den Parkplatz am See gefahren.
    A: Ich bin noch ein paar Runden durch Telpen gefahren. Vielleicht war ich auch schon etwas früher zu Hause. So genau weiß
     ich das nicht mehr.
    F: Was hast du zu Hause gemacht?
    A: Nichts. Ich bin ins Bett gegangen.
    F: Jemand hat in der Nacht geduscht. Dein Vater und Frau Duve sagen, sie waren es nicht.
    A: Ja, stimmt, ich habe noch schnell geduscht. Ich war durchgeschwitzt.
    F: Wovon?
    A: Oh Mann, von dem ganzen Tag. Es war warm. Ich wollte im Auto die Fenster nicht runtermachen wegen der Musik.
    F: Das Auto von deinem Vater hat eine Klimaanlage. Wieso hast du die nicht eingeschaltet?
    A: Ich hasse Klimaanlagen. Bei den Dingern erkälte ich mich immer.
    F: Na schön. Du erzählst uns also erst, du bist die ganze Nacht ohne irgendwo anzuhalten durch Pokritz gefahren. Dann stellt
     sich heraus, dass du doch angehalten hast, an einer Tankstelle. Nur ein paar Meter vom Tatort entfernt. Du behauptest, du
     bist von der Tankstelle zur Wohnung derDuves gefahren und sofort ins Bett gegangen. Dann heißt es auf einmal, du hast noch ein paar Runden durch Telpen gedreht.
     Dir fällt auch ein, dass du noch geduscht hast. Fällt dir vielleicht im Nachhinein noch irgendetwas ein? Vielleicht, wo die
     Tatwaffe liegt?
    A: Ich hab keine Ahnung, wo das Messer liegt, weil ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe.
    F: Es war also ein Messer?
    A: Stand doch in der Zeitung. Was soll es denn sonst gewesen sein?
    F: Ich denke, das kannst du uns sagen. Genauso, wie du uns sagen kannst, wie Flora Duve in der Nacht auf die Badeinsel gekommen
     ist.
    A: Ich. War. Nicht. Am. See.
    F: Hagen, ist dir immer noch nicht klar, dass das Spiel vorbei ist? Flora hat dich gesehen. Du hast kein Alibi. Und du warst
     zur betreffenden Zeit in der Nähe des Tatorts.
    A: Das ist doch totaler Wahnsinn. Ihr seid alle vollkommen irre. Wieso sollte ich nachts an einen See schleichen und ein Mädchen
     so   ... zurichten?
    F: Ein Mädchen, das man früher als Hexe bei lebendigem Leib verbrannt hätte?
    A: Das war Blödsinn. Ich war sauer. Sie würdendoch auch ausrasten, wenn jemand so etwas von Ihnen behauptet.
    F: Ich würde auch ausrasten, wenn ich der Täter wäre und das verschreckte Opfer auf einmal zu reden anfängt. Kennst du dieses
     Buch?
    A: Wo haben Sie das her?
    F: Frau Duve hat es in ihrer Wohnung gefunden und uns geliehen. Diese Seite hier hat ein Eselsohr. Als hätte sie jemanden
     besonders interessiert. Sagt dir diese Abbildung hier etwas?
    A: Eine Opferzeremonie.
    F: Fällt dir etwas auf?
    A: Was wollen Sie jetzt hören? Dass die Schnittwunden denen von Flora gleichen?
    F: Es gab nie ein öffentliches Foto von Floras Verletzungen und über die Art und Platzierung der Wunden stand nichts in der
     Zeitung. Du hast sie aber gesehen.
    A: Hab ich nicht. Aber es ist ja wohl naheliegend, wenn Sie mir diese Abbildung vor die Nase halten.
    F: Du interessierst dich für solche Sachen? Okkultismus, Satanismus.
    A: Ja, unter anderem. Ich interessiere mich für Geschichte und Religion. Es ist ein Teil davon.
    F: Ich hatte mal einen Kollegen. Der hat sichauch für Geschichte interessiert. Das Mittelalter war seine Spezialität. Irgendwann kam er mit Leinenhemd und Wams ins Büro,
     ließ sich die Haare lang wachsen, ging zu Burgfesten. Er sagte, er hätte den großen Wunsch, mal eine Woche richtig im Mittelalter
     zu leben, es zu erfahren, mit allen Entbehrungen. Hast du auch diesen Wunsch? Geschichte zu erfahren? Gewisse Dinge selbst
     zu erleben? Zu erfahren, wie man sich als Ritter, Legionär oder Scharfrichter fühlt?
    A: Jetzt drehen Sie total ab.
    F: Was wolltest du heute mit Beatrix Jerger am See?
    A: Das geht Sie nichts an.
    F: Doch, tut es. Also?
    A: Ich wollte mir einfach einen schönen Nachmittag mit ihr machen.
    F: Im Regen. An dem See, an dem vor wenigen Tagen ihre beste Freundin überfallen wurde.
    A: Jeder hat eben eine andere Auffassung von Romantik.
    F: Wieso gerade Beatrix, Floras beste Freundin?
    A: Keine Ahnung. So etwas kann man doch nicht logisch begründen.
    F: Wir haben erfahren, dass du von der sechstenbis zur zehnten Klasse dreimal die Schule gewechselt hast.
    A: Ich wusste es.
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