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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes
Autoren: Di Morrissey
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Sprache.
    Ein funkelnd weißer Perlenlogger in voller Betakelung. Daneben das Exponat eines alten Perlentaucheranzugs mit dem voluminösen stählernen Taucherhelm. Urplötzlich fiel Lily das Foto mit dem schneidigen Seefahrer wieder ein, das sie aus dem Koffer ihrer Mutter mitgenommen hatte. Es war ihr, als sähe sie ihn, wie er lässig am Bug des Loggers lehnte, und sie mußte schmunzeln bei diesem Gedanken. Eine ganze Weile stand sie so vor dem Perlenlogger, nahm jedes Detail in sich auf und fuhr versunken mit der Hand über den hölzernen Rumpf.
    »Wunderschön«, flüsterte sie. »Einfach wunderschön.«
    In einer anderen Abteilung des Museums erfuhr Lily, daß die nördlichen Gewässer und Küsten Australiens schon jahrhundertelang von fremden Schiffen heimgesucht worden waren, lange bevor der Engländer James Cook die Ostküste Australiens entdeckte. Goldhäutige Männer aus Makassar hatten sich jedes Jahr im Dezember auf die Reise gemacht, waren auf ihren
praus
mit dem Nordwestmonsun gesegelt, um Kleidung, Werkzeug, Tabak und Reis gegen Trepang und Schildpatt einzutauschen. Getrockneter Trepang, auch
bêche-de-mer
oder Seegurke genannt, war in der chinesischen Küche und Medizin begehrt und wurde mit großem Profit an chinesische Händler verkauft.
    Die Männer von den Molukken blieben einige Monate lang, lebten, arbeiteten und trieben Handel mit den Eingeborenenstämmen, bis der Südostmonsun begann und sie in die Heimat zurücktrieb.
    Die Händler und Seefahrer, die mit den Monsunwinden reisten, waren keine Siedler und keine Kolonialherren. Sie waren einfache Handelsleute von den Gewürzinseln jenseits der Timorsee. Solange sie die uralten Sitten und Gebräuche respektierten, waren sie willkommene Gäste. Weniger willkommen waren die vom Kurs abgekommenen Portugiesen oder Holländer, die den Navigationsfehler verfluchten, durch den sie, vom Kap der Guten Hoffnung kommend, zu weit nach Osten abgetrieben waren, bevor sie nach Norden zu ihren in der Malaiischen See gelegenen Handelsposten abdrehten. Ob nun ein Mißgeschick oder Bedarf an frischem Wasser und Proviant, sie gingen jedenfalls hin und wieder an Land und lieferten sich nicht selten Kämpfe mit den Eingeborenen, was auf beiden Seiten Menschenleben kostete.
     
    Lily schaute auf ihre Armbanduhr, warf einen letzten Blick auf das Perlenfischerboot und eilte zum Museumseingang zurück. Am Eintrittsschalter fragte sie, wo sie mehr über die Perlenfischerei erfahren könnte. Eine hilfsbereite junge Dame empfahl ihr das Perlenmuseum im Hafenbezirk der Stadt und telefonierte nach einem Taxi.
    Diesmal hielt der Taxifahrer vor einem alten Hafenschuppen unterhalb des steilen Hangs, auf dem der Stadtkern von Darwin erbaut war. Lily bezahlte ihre fünf Dollar und betrat einen kleinen, dunklen Raum, der wie ein Kino aussah.
    Fluoreszierendes blaues Licht schien durch riesige Aquarien, das Zischen und Gurgeln von Luft und das Blubbern von Luftblasen kam über eine Lautsprecheranlage. Eine kleine begehbare Höhle, geformt wie das obere Halbrund eines Taucherhelms, enthielt weitere Exponate. Unterwasserszenen demonstrierten die alte Kunst des Perlentauchens, und auf einem Großbildschirm lief ein Videofilm über Perlenfarmen und die moderne Form der Perlenzucht. Großformatige Bilder zeigten Nadeln, die in das Muskelfleisch von Austern gestochen wurden, gefolgt von geöffneten Schalen mit ihrer feucht schimmernden Frucht, und schließlich jene legendären und fürstlich bezahlten Prachtstücke, die man in den besten Juweliergeschäften der Welt findet.
    Lily interessierte sich mehr für die alte Perlenfischerei und stand lange vor den vergilbten Fotos, den alten Zeitungsausschnitten, den Resten einer Taucherausrüstung, dem Werkzeug der Perlenpolierer und einer Sammlung ausgesuchter Perlen in einer Glasvitrine. Dann, in einer dunklen Ecke, entdeckte sie das Rumpfstück eines kleinen Perlenloggers. Er war ohne Takelage, in seiner Bauweise aber unverkennbar.
    Fotos von diesem und anderen Perlenfischerbooten zeigten Decks voller Muschelschalen, dunkelhäutige Besatzung und japanische Perlentaucher, die noch in ihren Segeltuchanzügen steckten und fröhlich lachten, in den Händen den gewaltigen stählernen Taucherhelm. Lily konnte die Kokosfaser der Taue, den Teer und das Salz des Meeres förmlich riechen.
    Eine rauhe Stimme, begleitet von starkem Tabakgeruch, ließ Lily herumfahren. Vor ihr stand ein gedrungener Mann im Seemannshemd, an seiner Brust steckte ein
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