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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes
Autoren: Di Morrissey
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Namensschild mit der Aufschrift ›Dave‹.
    »Interessiert Sie das?« fragte er leutselig.
    »Ja, sehr. Arbeiten Sie hier?«
    »Hmm. Sie können mich alles fragen, was Sie wollen.«
    Lily lächelte bei der Vorstellung, was er wohl sagen würde, wenn sie ihn um Auskunft über ihre Familie bäte. Statt dessen sagte sie: »Ich bin auf dem Weg nach Broome, also dachte ich, ich mache erst einmal meine Hausaufgaben.«
    »Aha, Sie wollen wohl den Drei-Uhr-Flieger nehmen? Na schön, ist der richtige Ort hier, um sich die Zeit zu vertreiben. So, Sie wollen also nach Broome? Da hab ich mal 'ne Zeitlang gelebt. Hab bei 'nem Schiffsbauer gearbeitet, 'n bißchen dies und das gemacht und dann bin ich auf eine dieser Perlenfarmen gegangen. Ist heute ganz schön anders als damals.« Er unterbrach sich und betrachtete versonnen eines der Fotos. »Hartes Leben damals. Hat 'ne Menge von seiner Romantik verloren, heute ist es nur noch 'n Geschäft wie jedes andere. Obwohl, glauben Sie's mir, ist immer noch 'ne Menge Spannung und Abenteuer dabei. Jemand entwickelt ein neues Verfahren, und schon sind alle dahinter her. Abgelegene Perlenfarmen werden nachts überfallen und ausgeraubt. Die großen Broome-Perlen werden im Ausland immer noch zu horrenden Preisen gehandelt. Eine Perlenkette bringt manchmal hunderttausend Dollar, ich sag's Ihnen. Also, wie heißen Sie, wie heißt Ihre Familie. Broome is 'n kleines Pflaster, vielleicht kenne ich sie.«
    »Das bezweifle ich. Keiner mehr da. Sind alle tot und begraben.« Lily wechselte das Thema. »Ist in Broome noch etwas von der alten Geschichte zu finden?«
    »Dank Lord McAlpine, der unser Broome für den Tourismus entdeckt hat, ist noch einiges erhalten – das historische Viertel Chinatown, zum Beispiel, und das alte Freilichtkino. Leider hat nicht jeder, der sich hier niederläßt, einen Sinn für so was. Wenn Sie das alte Broome suchen, müssen Sie ans Wasser gehen, die Mangroven riechen, auf Muschelschalen wandern und bei Ebbe die Wracks der alten Flugboote anschauen. Gehen Sie an den Strand, und Sie werden das alte Broome riechen und spüren. Aber vorher werfen Sie noch mal 'nen gründlichen Blick auf diesen Logger … weit und breit der letzte seiner Sorte.«
    Lily bekam allmählich klaustrophobische Zustände in diesem engen, abgedunkelten Museum, und die von der Lautsprecheranlage verstärkten Atemgeräusche machten sie irgendwie schwindelig.
    »Herzlichen Dank, Dave. Ich denke, ich gehe ins nächste Hotel und stärke mich ein wenig, bevor ich zum Flughafen zurückfahre.«
    »Gehen Sie ins Hotel Darwin«, schlug Dave vor. »Mein liebstes Wasserloch und, wie dieses Boot hier, ein Gruß aus der Vergangenheit.«
    Lily quittierte das mit einem Lächeln. »Danke für den Tip.«
    Dave eskortierte sie bis an die Tür und überschüttete sie noch mit gutgemeinten Ratschlägen. Geradezu erleichtert trat Lily in die grelle Mittagshitze. Sie setzte sich die Sonnenbrille auf und stieg langsam die Treppen hinauf, die zum Stadtzentrum führten. Den ganzen Weg freute sie sich auf ein kaltes Bier und ein leckeres Sandwich in der Kühle des altmodischen Hotels.

[home]
    Zweites Kapitel
    E s dämmerte bereits, als die Maschine in Broome landete. Die Tageshitze hatte spürbar nachgelassen, und die tropische Nacht brachte angenehme Kühlung.
    Am Steuer des kleinen Hotelbusses saß ein freundlicher junger Mann, der im Hotel Continental als Empfangschef und Barkeeper zugleich fungierte. Bei ihren Erkundigungen über Broome war Lily auch auf alte Fotos gestoßen, die das große, alte ›Conti‹ in seiner Blütezeit Anfang des 19. Jahrhunderts zeigten. Doch als sie in die Auffahrt einbogen, mußte Lily enttäuscht feststellen, daß die langen, bungalowähnlichen Gebäude eher zu einem Motel der sechziger Jahre paßten. Von kolonialer Pracht war nichts mehr geblieben. Es war zwar nicht das Ritz, aber was dem Hotel an Großartigkeit fehlte, wurde durch ein freundliches Lächeln und familiären Umgang wettgemacht. Das Zimmer war einfach, aber komfortabel. Statt der Klimaanlage stellte Lily lieber den Deckenventilator an. Sie freute sich, daß ihr Zimmer auf eine eigene kleine, von Bougainvilen umrankte Terrasse führte, auf der ein Tisch und ein Stuhl standen.
    Lily löste ihren Haarknoten und bürstete sich ausgiebig das lange, kräftige Haar. Dann frischte sie ihr Make-up auf und nahm Kurs auf die Logger-Bar. Noch so ein Gruß aus der Vergangenheit, dachte sie heiter.
    Es gab aber weder einen gemütlichen
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