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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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auf dem Weg in den Tower entkommen könnte. Das Schicksal jedoch wollte es anders. Seymour wurde auf der Flucht von einem seiner Bewacher erschossen. Mit großer Erleichterung hatte Edward diese Nachricht vernommen und sich endlich so sicher gefühlt, daß er daran denken konnte, mit seinem gesamten Hausstand aus dem eigenen sehr kargen Haus auf die reichen Besitzungen des Marquis überzusiedeln.
    Die rasche Ausschaltung des Marquis gehörte zu Edwards bemerkenswertesten Schachzügen, doch wenn er jetzt Mitleid zeigte oder sein Haus oder seine Börse öffnete, um jemandem zu helfen, glaubte mancher, er wolle sich damit noch größere Reichtümer sichern. Genau dies schien der Fall zu sein, als er Elise Radborne, die Tochter einer vor fünfzehn Jahren verstorbenen Pflegeschwester, gastfreundlich bei sich aufnahm. Das Verschwinden von Elises Vater war unter Umständen erfolgt, die ihre Flucht aus London und aus dem Elternhaus erzwungen hatten. Edward, dem Gerüchte einen verborgenen Schatz der Familie betreffend zu Ohren gekommen waren, hatte ihr zuvorkommend den Osttrakt von Bradbury Hall zur Verfügung gestellt. Übertriebene Großzügigkeit war jedoch seiner Natur zutiefst zuwider. Da er der einzige Angehörige war, an den das Mädchen sich wenden konnte, hatte er ihre Bedrängnis ausgenutzt, eine hohe Miete gefordert und sie praktisch in den Dienst als Haushälterin seines neuen Landsitzes gezwungen. Entschuldigt hatte er dieses Vorgehen damit, daß seine eigene Tochter nicht mit üblichen Haushaltspflichten belastet werden sollte, während sie mit den Vorbereitungen für ihre Hochzeit mit dem Earl von Chadwick vollauf beschäftigt war. Vor dem Hochzeitsfest hatte Edward seine Nichte angewiesen, sich abends von den Tafelfreuden fernzuhalten und das Gesinde bei seiner Arbeit im Festsaal zu überwachen. Streng hatte er sie ermahnt, daß kein Tropfen oder Krümel verschwendet werden dürfe, vor allem aber dürfe sich die Dienerschaft nicht an den Leckerbissen gütlich tun.
    Ungeachtet ihrer siebzehn Jahre war Elise Radborne schon eine umsichtige junge Dame und nicht ohne Erfahrung in der Führung eines großen Hauses, da sie ihrem Vater schon einige Jahre den Haushalt geführt hatte; doch jetzt befand sie sich unter Fremden und hatte Gesinde zu beaufsichtigen, das noch immer Maxim Seymour, dem einstigen Herrn von Bradbury Hall, verbunden war. So ergeben sie Seymour waren, so kritisch und ablehnend standen sie dem neuen Grundherrn gegenüber, denn es wurde unter ihnen gemunkelt, daß Edward Stamford sich Bradbury mittels Lug und Trug angeeignet habe.
    Elise konnte nicht beurteilen, was von den Gerüchten stimmte und was nicht. Sie war erst Monate nach dem bei seinem kühnen Fluchtversuch ums Leben gekommenen Tod des Marquis nach Bradbury Hall gekommen und hatte ihn nie gesehen. Ihr einziger Kontakt zu Seymour bestand darin, daß sie im Osttrakt, den sie nun bewohnte, auf sein Porträt gestoßen war. Vor ihrer Ankunft waren die Räume verschlossen gewesen, doch in der winzigen Kammer, in der sie das Bild entdeckte, hatten Fingerabdrücke im Staub und eine frische Hülle angezeigt, daß es in jüngster Zeit dorthin gekommen war. Neugierig geworden, aus welchem Grund man ein so großartiges Gemälde versteckt hielt, hatte sie sich diskret umgehört und erfahren, der neue Herr habe kurz nach seinem Eintreffen befohlen, das Bild zu vernichten, worauf die Dienerschaft, die an diesem Befehl Anstoß nahmen, es im Osttrakt versteckte.
    Elise konnte dem Gesinde seine Treue nicht verdenken, wenngleich sie angesichts der Verbrechen des Marquis überzeugt war, daß er soviel Anhänglichkeit nicht verdiente. Schließlich war er der Teilnahme an einer gegen das Leben der Königin gerichteten Verschwörung zugunsten fremder Mächte und des Mordes an einem königlichen Spitzel für schuldig befunden worden. Angesichts der Tatsache aber, daß viele Dienstboten schon seit langem auf Bradbury waren, einige sogar schon seit der Zeit vor Lord Seymours Geburt vor fünfunddreißig Jahren, war es nur zu verständlich, daß sie an die Beweise seiner Schuld nicht glaubten und sein Andenken ehrten. Elise war aber entschlossen, den Motiven ihres Onkels, der jede Erinnerung an den Marquis aus dem Haus verbannt wissen wollte, ebenso Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Stellte das Porträt den Mann wirklich so dar, wie er gewesen war, dann war anzunehmen, daß Seymour auf Arabella starken Eindruck gemacht hatte. Der Verlust eines so stattlichen
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