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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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Kavaliers hätte jedes Mädchen gegen seinen Vater aufgebracht, der bei dem gewaltsamen Tod des Freiers die Hände im Spiel hatte. Doch sein Bestreben, den Familienfrieden zu bewahren, rechtfertigte Edwards Vorgehen hinlänglich.
    Seit ihrer Ankunft bestand Elises Aufgabe nun darin, einer Dienerschaft vorzustehen, die dem Hausherrn mit Ablehnung begegnete. Waren die Leute fleißig und erledigten sie die ihnen aufgetragenen Arbeiten gewissenhaft, so geschah es nur aus Hochachtung vor dem einstigen Besitzer. Zu einer Auseinandersetzung kam es immer erst dann, wenn schon eine Zeitlang über Edwards Vorgehen heimlich gemurrt worden war. Elise gab allen darauf stets unmissverständlich zu verstehen, daß sie kein Recht hatten, die Anordnungen ihres Herrn in Frage zu stellen, mochten diese ihnen auch noch so sinnlos erscheinen.
    Dieser Abend stellte keine Ausnahme von der Regel dar. Sie hatte bereits einige Bedienstete wegen ihrer wenig schmeichelhaften Vergleiche des gegenwärtigen Herrn mit dem vorangegangenen gescholten, als sie einen vor einem angezapften Fass herumtrödeln sah. Er trug einen Überwurf, dessen Kapuze seinen Kopf völlig bedeckte und keinen Blick auf sein Gesicht zuließ. Zudem stand er in gebückter Haltung da, so daß seine breiten Schultern Elise die Sicht nahmen und in ihr den Argwohn weckten, daß er sich das Getränk zu Gemüte führte – in den Augen ihres Onkels eine unverzeihliche Sünde.
    Auf einen neuerlichen Wortwechsel gefaßt, straffte Elise die Schultern und strich das schwarze Samtgewand über dem Reifrock glatt, bemüht, eine der Herrin eines großen Hauses gemäße Haltung anzunehmen. Trotz ihrer Jugend wirkte sie sehr überzeugend, nicht zuletzt, weil ihr schlichtes, aber kostbares Gewand ihr Noblesse und Eleganz verlieh. Eine weiße spitzenbesetzte Krause, im Vergleich zu den üppigen Hofgewändern dezent und schmal, umrahmte den Halsausschnitt und betonte, im Nacken hochgestellt, ihr harmonisches ovales Gesicht. Ein rosiger Hauch lag auf dem sanften Rand der Backenknochen und verstärkte den Glanz der saphirblauen, andeutungsweise schräggestellten, von dichten dunklen Wimpern umrahmten Augen. Ihre Brauen, die sich als rotbraune Schwingen auf einer makellosen Haut abzeichneten, waren nicht abrasiert, wie es die Gewohnheit vieler Damen war. Das in der Mitte gescheitelte, dichte brünette Haar bedeckte ein schwarzes Samthäubchen, das sich in zwei Bögen über ihrer Stirn wölbte. Zwei lange Perlenschnüre, zierten den Hals unter der steifen Krause und hingen tief herab. Eine rubingefaßte kleine Emailleminiatur diente als Schließe der Kette. Das Bild zeigte das Profil einer Frau, die, wie ihr Vater meinte, ihrer Mutter ähnelte.
    Elise hoffte inständig, einen ebenso imponierenden Eindruck zu machen wie die Frau auf dem winzigen Bildchen, damit der Diener ihr mit dem nötigen Respekt begegnete, anders als jene, die sie in ihrer armseligen Verkleidung als zerlumpten Hansejungen gesehen hatten. Knapp hinter dem Mann innehaltend, fragte sie in fast freundlichem Ton: »Nun, kommt der Wein deinem Geschmack entgegen?«
    Langsam wandte sich ihr der kapuzenbedeckte Kopf zu, bis sie die schmale Gesichtsöffnung über einer breiten Schulter vor sich sah. Die Kapuze war so dicht um das Gesicht gezogen, daß sie es wie eine Maske halb verdeckte. Nur die dunkel schimmernden Augen, in denen sich der Kerzenschein spiegelte, waren im Schatten der Kapuze sichtbar. Ein voller Blick auf seine Züge blieb ihr verwehrt. Der Mann war größer und wirkte irgendwie anders als die anderen Dienstboten, ein Umstand, der in Elise den Eindruck erweckte, er sei aus einem anderen Teil der Besitzungen geholt worden.
    »Verzeiht, Mistreß, der alte Kellermeister wollte, daß ich das Zeug probiere, damit der Gaumen der feinen Herrschaften nicht minderen Wein kosten muß.« Seine Sprechweise war die des einfachen Mannes, seine Stimme aber war wohltönend, angenehm und warm. Prüfend hob er den Krug, neigte ihn ein wenig und begutachtete den Inhalt eingehend; dann tippte er mit dem Zeigefinger auf die Gefäßwölbung. »Denkt an meine Worte, Mistreß, dieser Wein hier, der ist noch alter Bestand. Schmeckt mild und würzig, ganz anders als das Gesöff, das der alte Stamford seinen Gästen vorsetzt.«
    Fassungslos starrte Elise den Mann an, dessen Frechheit ihr glatt die Sprache verschlug und ihr Gefühl für Anstand verletzte. »Ich bezweifle, ob Squire Stamford Wert auf dein Urteil und deine Meinung legt. Undankbarer
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