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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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erkannt.«
    »Wahrhaftig?« Aus den Tiefen der Kapuze traf sie ein neugieriger Blick. »Und Ihr hättet sagen können, das ist er, obgleich er Euch nie vor Augen kam?«
    Die Dreistigkeit des Mannes entfachte Elises Zorn von neuem, und es war klar, daß er an ihren Worten zweifelte. Vermutlich hielt ihn allein sein gesunder Menschenverstand ab, sie eine Lügnerin zu nennen. Dennoch drängten sich ihr Erinnerungen aus jüngster Zeit auf, die sie nicht vergessen konnte, so sehr sie sich auch bemühte… die Erinnerung an das Porträt des Marquis. Zunächst hatte sie ihre Bewunderung der Art der Darstellung zugeschrieben. Das grüne Jagdkostüm des Marquis betonte seine stattliche Erscheinung, während die zwei Wolfshunde an seiner Seite den Eindruck von Abenteuerlust vermittelten; in Wahrheit aber waren es seine wohlgebildeten, aristokratischen Züge, die dunklen Wimpern und grünen Augen und das andeutungsweise spöttische Lächeln, das sie so anziehend gefunden hatte; sie hatten bewirkt, daß sie immer wieder einen Blick auf das Bild geworfen hatte.
    Elise sah, daß der ungehobelte Knecht nachsichtig grinste, als wäre ihr Schweigen Beweis, daß sie nur geprahlt hatte. Das steigerte ihre Gereiztheit und verschärfte ihren Ton, als sie sagte: »Offenbar grinst du, weil du weißt, daß ich meine Behauptung nicht beweisen kann. Der Marquis wurde bei einem Fluchtversuch getötet.«
    »Ja, das hab' ich selbst auch gehört«, stimmte ihr Gegenspieler zu. »Es war unterwegs zum Tower, als er sich von den Bütteln losriss und totgeschossen wurde.« Wieder beugte der Mann sich vor und raunte so verstohlen, als gälte es, ein Geheimnis zu wahren: »Aber wer weiß schon, was dem Marquis zustieß, als er von der Brücke stürzte? Keine Menschenseele hat ihn je wieder gesehen, und gefunden hat man auch nichts.« Er stieß einen bekümmerten Seufzer aus. »Ach ja, für die Fische war es wohl ein Freudenschmaus in jener Nacht.«
    Das heraufbeschworene grausige Bild ließ Elise schaudern. Mit Aufbietung großer Willenskraft verdrängte sie, was ein beabsichtigter Versuch schien, sie aus der Fassung zu bringen, und wandte gezielt ihre Aufmerksamkeit den unmittelbaren Dingen zu. »Der gegenwärtige Schmaus hat uns mehr zu kümmern…« Sie hielt plötzlich inne, weil sie nicht wußte, wie sie den Mann ansprechen sollte. »Gewiß hat deine Mutter dir einen Namen gegeben.«
    »Sehr wohl, Mistreß, das hat sie. Taylor heiß' ich. Einfach Taylor.«
    Elise deutete auf die am Schragentisch Tafelnden und erinnerte ihn an seine Pflichten. »Also dann, Taylor, kümmere dich um die Gäste des Squire und um ihre Becher, ehe er uns beide wegen Saumseligkeit zur Rechenschaft zieht.«
    Überschwänglich verbeugte er sich: »Zu Diensten, Mistreß.«
    Verblüfft ob seines Benehmens, konnte sie sich die Bemerkung nicht versagen: »Taylor, du ahmst die Manieren deines Herrn gut nach.«
    Der Mann, der sich die Kapuze enger ums Gesicht zog, lachte verhalten. »Seine Lordschaft hatte in der Jugend so viele Lehrer, wie eine Kröte Warzen hat. Ich machte mir einen Spaß daraus, dem Unterricht zu folgen.«
    Neugierig zog sie ihre Brauen hoch. »Und wieso hältst du dein Haupt bedeckt und verbirgst dein Gesicht? Ist es etwa zu kalt im Saal?«
    Seine Antwort kam ganz rasch. »Nein, Mistreß. Kälte ist es nicht, sondern ein Geburtsfehler, müßt Ihr wissen. Ein einziger Blick in mein elendes Gesicht genügt, und die Menschen fallen in Ohnmacht. Den feinen Herrschaften könnte bei meinem Anblick der Bissen im Hals stecken bleiben.«
    Elise enthielt sich weiterer Fragen, um nicht die Missbildungen des Mannes zu Gesicht zu bekommen. Sie entließ ihn schroff und behielt ihn im Auge, bis sie sicher sein konnte, daß er seinen Aufgaben angemessen nachkam. Er umrundete die Tische, füllte hier einen Pokal nach und sorgte dort für einen frischen Humpen, indem er abwechselnd aus den beiden Krügen nachschenkte, den Damen und den Alten aus dem einen, den kräftigen Männern aus dem anderen. Insgeheim pflichtete Elise ihm bei und konnte nicht umhin, seine Umsicht zu bewundern, weil er den weniger Trinkfesten leichteren Wein nachschenkte.
    Elise, die die Halle nach weiteren säumigen Dienstboten absuchte, entspannte sich merklich, nachdem sie festgestellt hatte, daß alle eifrig ihren Pflichten nachkamen. Da sie den Blick von einem Tisch zum anderen wandern ließ und genau registrierte, wo Speisen nachgereicht werden mußten, entging ihr, daß sich ihr einer der Gäste
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