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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
Autoren: Unbekannt
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ich, mein Geräteschuppen aus dem Garten hätte sich in Bewegung gesetzt.«
    Als sie in die Küche ging, war ich versucht, mir ihr Tage buch zu schnappen und weiterzulesen, aber das war mir dann doch zu riskant.
    Nach dem Abendessen (Dosenthunfischsalat, Frühkartoffeln, Rote-Bete-Salsa, Erdbeeren aus dem Garten, Elmlea-Sahneersatz) spülte ich gerade ab, als Daisy hereinkam und sich eine Schachtel Schokokekse aus dem Schrank nahm. Später, nachdem ich die Arbeitsflächen abgewischt und den Mülleimer und den Recyclingabfall ans Ende der Auffahrt geschoben hatte, ging ich ins Wohnzimmer, um mir die Nachrichten auf Channel 4 anzusehen. Mir fiel unwillkürlich ins Auge, dass Daisy drei Viertel der Kekspackung aufgegessen hatte. Ich hätte nichts sagen sollen. Ich hätte schön meinen Mund halten sollen. Der folgende Streit war wie ein Vulkanausbruch.
    Gracie stellte ihre High School Musical 2 -DVD auf volle Lautstärke und forderte streng: »Hört auf zu brüllen, sonst rufe ich die Polizei!«
    Meine Mutter kam von nebenan, um nachzusehen, ob Daisy mich tatsächlich umgebracht hatte. Sie beendete den Streit schließlich, indem sie Daisy und mich übertönte: »Daisy, du verschließt die Augen vor der Wirklichkeit! Du hast eindeutig Größe 44. Finde dich damit ab! Bei Evans, bei Principles, und sogar von Dawn French gibt es inzwischen Klamotten für Dicke.«
    Daisy warf sich meiner Mutter in die Arme, und meine Mutter bedeutete mir mit einer wütenden Kopfbewegung, dass ich den Raum zu verlassen hatte.
    * * *
    Heute Morgen stand Daisy nicht wie üblich an der Haustür und sah mir zu, wie ich mein Fahrrad bestieg, um zur Arbeit zu fahren, und als ich auf die Straße bog und mich umdrehte, um zu winken, war sie auch nicht am Fenster. Körperlich bin ich momentan an einem Tiefpunkt. Nachts stehe ich mindestens drei Mal auf, wenn ich mir abends nach Newsnight ein Glas Wein gönne, sogar noch öfter. Dementsprechend erschöpft bin ich, und morgens muss ich mich dann auch noch mit meinen Eltern (deren Haus eine gemeinsame Wand mit unserem hat) herumschlagen, weil sie angeblich wegen des ständigen Rauschens unseres Spülkastens nicht schlafen können.
    Da ich Gegenwind hatte, brauchte ich länger als sonst bis zum Buchladen, und als ich den Stadtrand von Leicester erreichte, wurde ich noch weiter aufgehalten. Es kam mir vor, als wäre jede einzelne größere Straße aufgerissen worden, um neue Abwasserrohre zu verlegen. Als unfreiwilliger Senkgrubenbesitzer wurde ich praktisch grün vor Neid. Ist es ein Wunder, dass meine Frau sich nach der Metropole sehnt? Ich habe ihr eine der elementaren Notwendigkeiten des Lebens vorenthalten. Wobei ich für unsere primitiven sanitären Verhältnisse meinen Vater verantwortlich mache, denn das Geld, das wir beim Umbau der Schweineställe für den Anschluss an das Abwassernetz zurückgelegt hatten, wurde für Rollstuhlrampen verplempert. Dabei war er doch selbst schuld an seinem Schlaganfall – jahrelang bestand seine einzige körperliche Bewegung im Drücken der Fernbedienungstasten. Damit nicht genug, raucht er immer noch dreißig Zigaretten am Tag und stopft sich mit Buttertoast und frittierter Chilli-Schweineschwarte voll.
    Ich verwünsche den Tag, an dem meine Eltern zwei baufällige Schweineställe gekauft und in Wohneinheiten umgewandelt haben. In den Anfangstagen meiner Insolvenz war ich dankbar, ein Schweinestalldach über dem Kopf zu haben, aber ich musste schwer dafür büßen.
    Eine weitere Sorge ist mein Versagen als Vater. Gestern brachte Gracie aus dem Kindergarten eine Filzstiftzeichnung mit dem Titel »Meine Familie« mit nach Hause. Tagebuch, ich suchte unter den Strichmännchen nach der Abbildung meiner selbst, wurde aber nicht fündig. Mein Nichtvorhandensein verletzte mich zutiefst. Als ich Gracie unter Verweis darauf, dass immerhin von meinen Lohnsteuern die Filzstifte für ihren Kindergarten und das Gehalt ihrer Erzieherin bezahlt werden, fragte, warum sie mich nicht gezeichnet habe, zog sie die Stirn in Falten. Um die übliche Eskalation – Schluchzen, Schreien, Rotz und Schuldzuweisungen – zu vermeiden, lenkte ich sie durch das Öffnen einer Packung rosafarbener Waffeln ab.
    Später fragte ich meine Frau, warum Gracie mich ihrer Meinung nach nicht auf das Familienbild aufgenommen habe, und Daisy gab zurück: »Offensichtlich hat sie deine emotionale Distanziertheit mitbekommen.« Als ich Einspruch erhob, wurde sie lächerlich überemotional und rief: »Wenn du
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