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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht
Autoren: Friedrich Ani
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Adresse eines Anwalts, der sagt Ihnen dann, wo’s für Sie langgeht. Erstens: Ich hab meine Aussagen gemacht, bei Ihnen und Ihren Leuten. Ich hab mich zur Verfügung gehalten, Tag und Nacht, genau wie die Micha, das war hart, weil jeder geglaubt hat, wir würden was verschweigen. Ihr habt die Micha verdächtigt. Ich hab ihr beigestanden,das tu ich heut noch, wenns nötig ist. Und die Kleine, die war ihre Tochter, und die hab ich respektiert.
    Ich bin nicht so ein netter Kinderonkel, ich rast nicht aus, wenn ich ein kleines Kind seh. Mir fehlen da die entsprechenden Gefühle. Ich bin nicht so aufgewachsen, bei uns hat sich niemand groß um die Kinder gekümmert, die waren halt da, mussten gefüttert werden, Ende der Aufregung. Wenn sie pariert haben, wars normal, wenn nicht, gabs Schläge. Ich hab nach der Scarlett gesucht, und zwar vom ersten Tag an, ich hab ihr Bild ins Internet gestellt, ich hab Handzettel verteilt, Fotos kopiert und aufgehängt. Vergessen?
    Ich war aktiv, ich hab mich an der Fahndung beteiligt. Was geht also in Ihrem Kopf vor, wenn Sie hier aufkreuzen, nach acht Jahren, oder sechs, und mich von schräg unten antexten?
    Der Behinderte hat das Mädchen umgebracht, sein Vater hat die Leiche weggeschafft. Reden Sie mit dem Staatsanwalt, wenn Sie die Zusammenhänge vergessen haben. Der Vater hat die Leiche verbuddelt und hält sein Maul.
    Den Zeugen haben Sie sich ausgedacht, Herr Fischer. Um mir und der Micha doch noch was anzuhängen. Warum? Weil das nicht sein darf, dass ein Behinderter als Killer verknackt wird, das passt Ihnen nicht, da fängt Ihre Moral an zu jaulen. So schauts aus, auf Wiederschaun.«
    Wortlos und polternd ging er die Treppe hinunter, riss die Haustür auf, stieß sie gegen die Wand.
    Vor dem grünen Haus mit dem abbröckelnden Putz und den verwitterten, zersplitterten Fensterstöcken drehte Rost sich noch einmal um. »Sie haben in dieser Sache nichts mehr verloren, Sie haben auf der ganzen Linie versagt. Deswegen liegt jetzt irgendwo die Leiche von Michas Tochter und verwest. Und die Micha weint sich die Augen raus, wenn sie dran denken muss. Dafür sind Sie verantwortlich.«
    Er spuckte aus und ging weg.
    Manche Täter versteckten ihre Opfer in Müllcontainern, und die Leichen landeten unbemerkt in Verbrennungsanlagen. Manche Täter vergruben ihre Opfer im Garten oder versenkten sie in einem See.
    Vielleicht war Scarlett entführt und ins Ausland gebracht worden.
    Solange ihre Leiche nicht gefunden wurde, dauerte die Suche an, jahre-, jahrzehntelang.
    Hundertschaften der Polizei mit Hunden, Stöcken und Wärmebildkameras hatten das Ramersdorfer Umfeld durchstreift. Die Möglichkeit, dass Scarletts Leiche eines Tages in einem eigentlich überschaubaren Radius doch noch auftauchte, bestand weiter.
     
    Nach dem Gespräch behielt Fischer das Handy in der Hand und schaute es an. Es war stumm. Was die Schwester ihm berichtet hatte, hätte er sich vorher denken können. Er hatte es auch gedacht, aber er musste trotzdem anrufen. Jetzt stand er vor dem grünen Haus, schwankend vor Müdigkeit, und hörte immer noch die Worte der Schwester. Sie ist ruhig, hatte sie gesagt, es gibt keine Komplikationen, Sie brauchen nicht zu kommen. Das wusste er doch. Natürlich brauchte er nicht zu kommen. Auf die Frage, ob Michaela Peters schon im Haus sei, hatte die Schwester mit einem Ausdruck von Erstaunen reagiert. Warum er das wissen wolle, fragte sie. Warum? Dienstlich, hatte er erwidert. Verstehe, antwortete sie. Nein, wie sollte sie ihn denn verstehen? Wenn Michaela Peters bereits im Haus war, hatte er einen Grund für sein Erscheinen. Er wäre dann dienstlich da, in einem sehr überschaubaren Radius um Ann-Kristins Abwesenheit.

3
»Ist eine schöne Einbildung. Verboten? Nein«
    Sie saß auf einem ramponierten Bistrostuhl mit Bastbespannung und rauchte.
    Das kleine Fenster war gekippt, kühle Luft drang herein. Der Raum mit dem grauen Kleiderschrank und dem quadratischen Plastiktisch diente als Raucherzimmer. An der Wand stapelten sich Kästen mit Mineralwasser- und Saftflaschen. Als Fischer und Michaela Peters hereingekommen waren, beendeten zwei Krankenschwestern gerade ihre Pause, indem sie den Aschenbecher in den Blecheimer unter dem Fenster ausleerten und sich Pfefferminzbonbons in den Mund steckten. Mit Michaela Peters wechselten sie kein Wort.
    Fischer sah ihr zu, wie sie hastig inhalierte. Entweder warf sie ihm abweisende Blicke zu, oder sie starrte an ihm vorbei zur Wand. Bei der
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