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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt
Autoren: T Weaver
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Malcolm, als die Polizei ihn abführte, und las in seinen Augen den Deal, den er mir anbot. Ich würde
weder das Mädchen erwähnen, mit dem er einen Sohn gehabt hatte, noch Simon oder all die anderen, die unter seinen Augen gestorben waren; dafür würden weder Michael noch er über meine Beteiligung beim Tod von Jason, Zack, Andrew, Myzwik und Legion ein Wort verlieren. Bei diesem Handel machten sie das bessere Geschäft. Malcolm allein hatte so viel Blut an den Händen, dass man die Hautfarbe darunter nicht mehr erkennen konnte. Und während ich schwieg, blieb sein Sohn weiterhin verschwunden, was sich ebenfalls zu seinem Vorteil auswirkte. Auch wenn er seinen Sohn für alle Zeit verloren hatte.
    Liz saß während der polizeilichen Befragungen an meiner Seite, meist schweigend, weil ziemlich früh deutlich wurde, dass die Behörden keine Anklage gegen mich erheben würden. Sie sahen meine Verletzungen. Sie sahen, mit welcher Art Mensch sie es zu tun hatten. Allerdings war es leichter, die Detectives zu belügen, als Liz zu belügen. Ich glaube, dass sie im tiefsten Inneren wusste, dass ich nicht ehrlich zu ihr war. Allerdings sagte sie nie etwas dazu. Und ein Teil von mir mochte sie deshalb noch mehr.
    Die Farm und das Angel’s blieben in Malcolms Besitz. Die Kaufverträge lauteten auf seinen Namen, und niemand hatte die Macht, ihm die Immobilien wegzunehmen. Als Mary ihn im Gefängnis besuchte, verriet er ihr, dass er sein Geld dazu verwenden würde, nach seiner Entlassung von vorn anzufangen. Es sollte Marys letzter Besuch sein.
    Michael hatte weniger Glück. Nach einem Deal mit der Polizei bekam er nur zwei Jahre, doch er besaß weder Geld für einen Neuanfang noch irgendeine Perspektive. Er war der Mann, dem die Leute vertraut hatten. Der Mann, dem sie sich geöffnet hatten. Nun bedeutete er niemandem mehr etwas. Stattdessen war er zum Gegenstand von Diskussionen am Sonntagmorgen geworden. Malcolm hatte Michael
mit in den Abgrund gerissen, aber Michael war derjenige, der nicht wieder herausklettern würde.
    Keine Arbeit. Kein Haus. Kein Leben.
     
    Ungefähr zwei Monate später passierte etwas Gutes: Als das erste Frühlingslicht durch die Bäume drang, erhielt Mary im Krankenhaus einen Anruf. Sie war gerade auf der Station. Man erklärte dem Anrufer, er könne entweder warten oder es später noch einmal versuchen. Er entschied sich fürs Warten. Als Mary ihre Runde beendet hatte, nahm sie den Anruf entgegen. Es war Alex. Er bat sie, sich in Frankreich mit ihm zu treffen.
     
    Manchmal sind die guten Dinge es wert, um sie zu kämpfen.
    Ungefähr eine Woche, nachdem Malcolm und Michael versucht hatten, mich zu töten, fuhr ich noch einmal nach Carcondrock. Ich vergrub die Dose mit den Fotos, weil ich das Gefühl hatte, dass es richtig so war. Später rief ich erst Kathy und anschließend Cary an, um ihnen zu sagen, dass Alex lebte, dass ich ihnen aber nicht mehr verraten konnte – aus denselben Gründen, aus denen ich auch Mary gegenüber hatte schweigen müssen. Mit jedem Tag würde Alex sich ein kleines Stück weiter aus seinem Versteck wagen. Er trug das Gewicht dessen mit sich herum, was sein Vater getan hatte und was er selbst Al angetan hatte. Wenn er sich endlich ans Tageslicht traute, konnte er selbst seinen Freunden alles erzählen – und er konnte Kathy von Angesicht zu Angesicht erklären, warum er sie verlassen hatte und warum sie nie ein Fehler gewesen war.
    Als ich nach dem Vergraben der Dose das Loch wieder auffüllte, hatte ich nicht genug Sand genommen. Direkt über dem Loch rutschte Sand nach und hinterließ eine Mulde, die dem Strand irgendwie die Ausstrahlung des Unberührten
nahm. Ich wollte es so nicht zurücklassen, doch andererseits schien eine gewisse Logik darin zu liegen. Denn schließlich war allen diesen Erinnerungen – jedem Foto in der Dose – ein Stück Unberührtheit genommen worden.
    Auf dem Heimweg hielt ich schließlich am Friedhof.
    Die Blumen standen noch auf dem Grab. Aber in den Bäumen saßen keine Vögel. Keine Vögel, die der Freiheit entgegenflogen. Wahrscheinlich deshalb, weil sie längst aufgebrochen waren. Alles auf diesem Friedhof, all das in ihm versammelte Leid, war in die Lüfte entkommen.
    Und auch Derryn war dorthin verschwunden.
     
    Als ich an diesem Abend nach Hause kam, fühlte sich das Haus anders an. Ich konnte es nicht erklären, war mir nicht einmal sicher, ob ich es erklären können sollte. Jedenfalls fühlte es sich einladender an, so als
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