Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt
Autoren: T Weaver
Vom Netzwerk:
auf.
    Malcolm schaute auf die Pistole hinunter, um zu prüfen, ob sie entsichert war. Ich schlug ihm die schwere Seite des Stocks in den Rücken. Der Schlag erzeugte ein weiches, hohles Geräusch. Er sackte zusammen, als hätte jeder einzelne Muskel in seinem Körper plötzlich den Dienst versagt. Als er am Boden aufprallte, schlug ich ihm mit der Kugel am Ende des Stocks in den Magen. Beim dritten Schlag stöhnte er nicht einmal mehr.
    Mary weinte und bewegte sich nicht vom Fleck.
    Irgendwo in der Ferne hörte ich Sirenen.
    Ich brach zusammen und schaute zu Mary. Jeglicher Rest von Kraft wich aus meinem Körper. Ich war kurz davor, ohnmächtig zu werden.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen, David?«, fragte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    Langsam griff ich in die Tasche und zog mein Handy hervor.
    »Sie müssen bitte …« Ich hustete und schmeckte das Blut in meinem Mund. »Sie müssen bitte jemanden anrufen. Sie heißt Liz.«
    Wieder hustete ich. »Sagen Sie ihr, ich stecke in Schwierigkeiten.«
    Dann verlor ich das Bewusstsein.

51
    Am schwierigsten war die Rückkehr ins Leben. Nachdem die Polizei auf der Farm aufgetaucht war, wurden die jungen Leute in Übergangsunterkünfte gebracht, in denen, so jedenfalls der Plan der Behörden, ihr Leiden ein Ende haben sollte. Eine Gruppe gestohlener Leben, die man zurück ans kalte Licht des Tages gezerrt hatte.
    Doch Malcolm und Michael wussten es besser.
    Die Mehrheit der jungen Männer und Frauen war so umfassend von dem abhängig geworden, was sie auf der Farm erfahren hatten, dass sie auf die Außenwelt nicht mehr vorbereitet waren. Eine Welt, in der sie schon früher irreparable Schäden erlitten hatten. Das Calvary Project hatte dafür gesorgt, dass die Menschen, die dort Buße tun sollten, niemals wirklich auf eine Rückkehr vorbereitet sein würden. Man hatte ihnen die Identität geraubt. Man hatte ihnen die Erinnerungen geraubt. Nun wurden sie zurück in ihre Familien gebracht; Familien, die sie für tot gehalten hatten. Für beide Seiten war es ein Neuanfang, als hätte man einen Fremden ins Haus geholt.
    Bei Alex war es anders, weil Alex sich an den größten Teil seiner Vergangenheit noch erinnerte. Er selbst war es, der vieles davon lieber im Dunkeln gelassen hätte. Darin lag eine gewisse bittere Ironie, denn schließlich war es auf der Farm ganz wesentlich darum gegangen, Geheimnisse im Dunkeln zu lassen. Alex hätte den Rest seines Lebens dort verbringen können, ohne den Namen Al noch ein einziges Mal zu hören. Doch ihm war das Ausmaß des Opfers bewusst gewesen, das er hätte bringen müssen – die Kontrolle über sein Leben an eine Gruppe abzutreten, die ihre ursprünglichen Ziele längst hinter sich gelassen hatte -, und
er war nicht bereit gewesen, sich in die Person zu verwandeln, die sie aus ihm machen wollten. Bei seinem Abschied von der Farm hatte er die eine Erinnerung mitgenommen, die er für sein Leben gern gelöscht hätte. Ihm war klar, dass in dem Moment, in dem er wieder auftauchen würde, auch Al zurück sein würde. Doch das war es ihm wert gewesen.
    Ungefähr zwei Wochen, nachdem die Polizei uns aus ihrem Haus weggebracht hatte, sprach ich wieder mit Mary. Als sie anrief, hatte ich vierzehn Tage der Genesung hinter mir. Die Ärzte hatten ein Loch in die Plastikfolie geschnitten und mir eine Spritze in den Rücken gegeben, damit ich es nicht spürte, wenn sie den Rest entfernten. Am Ende der ganzen Prozedur war ich mit zweiundsechzig Stichen im Rücken und dreien im Fuß genäht worden. Außerdem hatte mir ein Arzt erklärt, dass das Gefühl in meinen Fingern möglicherweise nie mehr komplett zurückkehren würde. Einige Tage später nutzte ich meine private Krankenversicherung, um einen Termin in einer Klinik in North London zu vereinbaren, wo man mir drei Zähne implantieren würde.
    Mary weinte während unseres gesamten Telefonats. Erst hatte sie ihren Sohn verloren und jetzt auch noch ihren Mann – den Mann, um den sie sich jahrelang gekümmert hatte. Jeden Tag hatte sie an seiner Seite verbracht aus Angst, es könnte sein letzter sein. Ich sagte ihr nicht, dass ich dieses Gefühl kannte. Derryn würde immer ein Teil von mir sein, ihr Gesicht deutlich in der Dunkelheit, ihre Stimme ganz klar in meinem Kopf. Malcolm würde für Mary nur eine von gekräuselten Wellen verzerrte Spiegelung sein. Ein verurteilter Drogenhändler und Entführer, des Mordes angeklagt, über den sie nicht wirklich etwas wusste.
    Ich betrachtete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher