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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gespielt ist. Ich bin hier sicher. Gabriel hält meine Hand. Irgendwann wache ich auf, als er mit dem Finger über meinen Ehering fährt. Der hat jetzt seine Bedeutung verloren, ich bin nicht länger Linden Ashbys Ehefrau, wenn ich das denn je gewesen bin. Mir hat man immer gesagt, dass zwei Menschen erst wirklich verheiratet sind, wenn die Braut selbst gesagt hat, dass sie damit einverstanden ist.
    »In Wirklichkeit heiße ich Ellery mit Nachnamen«, sage ich schläfrig.
    »Ich habe keinen Nachnamen«, sagt Gabriel.
    »Dann solltest du dir einen ausdenken«, sage ich.
    Er lacht und da ist dieses Lächeln wieder, schüchtern, breit, strahlend. Sein Gesicht wird vom Flimmern der
weißen Leinwand beleuchtet. Ich drehe mich um und sehe, dass die Vorstellung zu Ende ist. Die Plätze um uns herum sind leer.
    »Warum hast du mich nicht geweckt?«, frage ich.
    »Du hast irgendwie so süß ausgesehen«, sagt er. Eine Zeit lang sieht er mich an und überlegt. Dann beugt er sich vor, um mich zu küssen.
    Es ist ein fantastischer Kuss, bei dem sich keiner von uns beiden Sorgen wegen offener Türen macht. Seine Hand liegt unter meinem Kinn, meine Arme schließen sich langsam um seinen Hals und wir verlieren uns in dieser Welt flimmernder Dunkelheit, in einem Meer leerer Sitze, und wir sind absolut und unwiderruflich frei.
    Beim Knarren der Schwingtüren lösen wir uns voneinander und eine Angestellte – eine Erstgenerationerin mit Besen – sagt: »He, die Vorstellung ist vorbei. Geht nach Hause.«
    Ich sehe Gabriel an. »Gehen wir?«, sage ich.
    »Wohin?«
    »Nach Hause natürlich.«
    Es ist so weit nach Hause, dass ich keine Ahnung habe, wie wir dorthin kommen sollen. Zu Hause haben wir kein Telefon, ich kann Rowan also nicht anrufen und ihn wissen lassen, dass es mir gut geht. Aber sobald wir aus Florida raus sind, suche ich mir ein Münztelefon und rufe die Fabrik an, in der er zuletzt gearbeitet hat. Die Chancen stehen gut, dass er immer noch dort ist. An diesem Gedanken muss ich festhalten, auch wenn mir ein entmutigendes Gefühl in meinem Bauch sagt, dass er längst weitergezogen – und auf seiner Suche nach mir – verschollen ist.

    Draußen ist die Stadt in dem nebelhaften, flüchtigen Augenblick zwischen Schlaf und Erwachen gefangen. Alle Geräusche sind gedämpft, es ist jedoch nicht völlig still. Immer noch zerfahren Autos und Schneepflüge den nassen Matsch, zu dem der Schnee geworden ist. Hier und da wandern noch Leute herum, aber ohne Hast und Eile. Der Himmel nimmt Rosa- und Gelbtöne an, und ich weiß, dass wir nicht viel Zeit haben. Es ist fast Morgen, und Vaughn wird merken, dass Gabriel und ich weg sind. Falls er es nicht schon längst weiß. Wenn Cecily uns nicht irgendwie gedeckt hat.
    Cecily. Sie hat uns letzte Nacht diesen Diener zu Hilfe geschickt. Ich habe all dem nicht getraut. Wie könnte ich auch? Aber da sind keine Polizeiautos mit Blaulicht, die uns jagen. Hand in Hand stehen Gabriel und ich hier und starren auf die friedliche Stadt.
    Warum hat sie mir geholfen?
    Gestern Nachmittag auf dem Trampolin hat sie dieses Wort gebraucht. Helfen. Ich hab dir geholfen, hat sie geschrien. Und in ihrem jungen Gesicht stand so ein Entsetzen, als sie begriff, dass das Gegenteil der Fall war.
    »Was jetzt?« Gabriel reißt mich aus meinen Gedanken.
    »Komm«, sage ich und ziehe ihn den Bürgersteig entlang. Dicke Salzkörner knirschen unter unseren Sohlen. Mindestens ein Dutzend Leute gehen an uns vorbei, ein oder zwei nicken uns grüßend zu, die meisten ignorieren uns vollständig. Wir sind nur zwei junge Leute in Wollmänteln auf dem Heimweg.
    Wir erreichen den Hafen und aus der Nähe ist er ganz anders als von der Limousine aus. Er ist lebendiger. Ich kann wirklich das Salz riechen und hören, wie die Wellen
schlagen, wie die Boote sacht an den Steg stoßen. Ich bin ganz wild darauf loszukommen, ein stehlenswertes Boot zu finden, bevor wir entdeckt werden. Doch ich kann die Ehrfurcht in Gabriels Gesicht sehen und gönne ihm diesen Moment. Diese fassungslose Freude.
    »Ist es so, wie du es in Erinnerung hattest?«, frage ich.
    »Ich …« Seine Stimme versagt. »Ich dachte, ich würde mich ans Meer erinnern. Aber ich hab mich gar nicht erinnert.«
    Ich schmiege mich an ihn und er legt den Arm um mich und drückt mich aufgeregt.
    »Glaubst du, du kannst uns in einem dieser Boote hinausmanövrieren?«, frage ich.
    »Sicher.«
    »Ganz sicher?«
    »Also, wenn ich mich irre, dann werden wir wohl
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