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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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recht habe. Die Reue steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ich laufe weg, bevor ich die Kontrolle verliere und ihr etwas Schreckliches antue. Dabei höre ich sie meinen Namen brüllen, so grauenhaft, als würde sie ermordet werden. Vielleicht
wird sie das. Aber langsam. Sechs Jahre wird es dauern, bis sie tot ist.
     
    Mein letzter Tag in Lindens Villa. Oder vielleicht ist es Vaughns Villa. Er ist derjenige, der sie zu dem gemacht hat, was sie ist. Linden ist nur eine Figur in seinem Spiel, genau wie seine Bräute. Es wäre leichter, wenn ich mir meinen ursprünglichen Hass auf Linden bewahren könnte, um seiner grausamen Tyrannei zu entfliehen, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Aber in meinem Herzen weiß ich, dass er kein schrecklicher Mensch ist, und ich muss mich wenigstens von ihm verabschieden. Am Morgen wird er aufwachen und ich werde weg sein. Er wird denken, ich bin tot, und er wird meine Asche verstreuen. Oder vielleicht stellt Cecily sie als Andenken in einer Urne neben die von Jenna.
    Cecily. Meine letzte verbliebene Schwesterfrau. Ich achte sehr darauf, ihr den Rest des Nachmittags aus dem Weg zu gehen, aber ich muss mich nicht besonders anstrengen. Sie hat sich verzogen. Nicht mal zum Abendessen kommt sie nach unten, und Linden fängt natürlich an, sich Sorgen zu machen, weil sie so viele Mahlzeiten auslässt. Er will wieder wissen, ob mir in letzter Zeit an ihrem Verhalten etwas seltsam vorgekommen ist, und ich sage, es ginge ihr gut, soweit man das erwarten kann … unter den gegebenen Umständen. Linden vermochte die Trauer seiner Frauen über Jennas Ableben nicht wirklich zu begreifen. Als ich sie als Entschuldigung für Cecilys launenhaftes Verhalten anführe, bringt ihn das zum Schweigen.
    Linden hat Jenna kaum gekannt, und ich glaube auch
nicht mehr, dass Vaughn drei Bräute zum Wohl seines Sohnes erbeutet hat. Ich glaube, er wollte nur einen zusätzlichen Körper für sein Gegenmittel. Jenna war die Einwegbraut. Cecily ist die Babyfabrik. Und ich sollte wohl sein Augapfel sein.
    Nach dem Abendessen, so gegen acht Uhr, rufe ich Deidre. Sie soll mir eins ihrer Kamillenbäder einlassen. Doch sie ist in düsterer Stimmung. Nach Jennas Tod ist Adair bei einer Auktion verkauft worden. Ich bin also nicht die Einzige, die einen Freund beziehungsweise eine Freundin verloren hat. Sie beschäftigt sich trotzdem emsig damit, die Schminkutensilien in meiner Kommode zu sortieren und aufzuräumen, während ich in der Wanne liege. Was wird mit ihr passieren, wenn ich weg bin? Ob sie in ein anderes Haus verkauft wird? Vielleicht macht man sie zu Bowens Kindermädchen. Sie ist etwas jünger als Cecily und sie wird mindestens bis zu seiner Pubertät leben. Vielleicht wird sie ihn trösten, wenn er weint, und ihm Schönes über die Welt erzählen, wie etwa von dem Strand, den ihr Vater gemalt hat.
    »Komm und unterhalte dich eine Weile mit mir«, sage ich.
    Sie setzt sich auf den Rand der Badewanne und versucht ein wenig zu lächeln. Doch die allgegenwärtige Traurigkeit auf der Etage der Frauen hat auch auf sie übergegriffen. Ich versuche mir etwas einfallen zu lassen, was ich ihr sagen kann. Wie ich Abschied nehmen kann, ohne tatsächlich Lebewohl zu sagen. Aber zu meinem Erstaunen ist sie diejenige, die sagt: »Du bist nicht so wie die anderen, nicht wahr?«
    »Wie?«

    Mein Kopf ruht auf einem zusammengerollten Handtuch am Rand der Badewanne, und Deidre fängt an, mir das Haar zu flechten. »Es ist einfach dein Auftreten«, sagt sie. »Du bist … wie ein Pinsel.«
    Ich öffne die Augen. »Wie meinst du das?«
    »Das ist etwas Gutes«, sagt sie. »Seit du hier bist, sind gute Dinge passiert.« Sie wedelt mit der Hand herum, als würde sie ein Bild malen. »Es ist heller geworden.«
    Das ist ein Witz. Gabriel sitzt im Keller fest und Jenna ist tot. »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sage ich.
    »Der Hauswalter ist so viel stärker. Glücklicher. Früher war er immer so zerbrechlich. Und die Dinge sind einfach … besser.«
    Ich versteh es immer noch nicht, aber ich merke an ihrem Ton, dass sie es ernst meint, deshalb schenke ich ihr ein Lächeln.
    Ist das wahr? Ich weiß es nicht. Ich denke an das, was ich auf dem Weg zur Party gesagt habe – dass ich ihm das Schwimmen beibringen würde, wenn es wieder wärmer ist. Vielleicht hätten so Sachen ihn glücklich gemacht, wie Deidre sagt. Ich muss es auf meine Liste gebrochener Versprechen setzen, ganz nach oben zu dem Versprechen, mich gut um ihn zu
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