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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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kümmern. Aber als Rose mich darum gebeten hat, hatte sie nicht mit Cecily gerechnet. Sie und Linden passen ohnehin viel besser zusammen. Cecily ist ihm so ergeben, dass sie Jenna und mich an Vaughn verraten hat. Sie ist es gewesen, die so erpicht darauf war, sein Kind auszutragen, und beide sind sie so schmerzlich blind für alles, sodass sie vielleicht gut füreinander sein werden. Zwei Liebesvögel im Käfig. Ich bin nicht gut für Linden. Ich bin voller
Atlanten und Landkarten. Ich sehe aus wie Rose – na und? Ich bin nicht Rose und selbst Rose musste ihn verlassen.
    »Bist du bereit, kommst du raus?«, sagt Deidre.
    »Ja.« Als ich mein Nachthemd anziehe, schlägt sie die Decke von meinem Bett zurück, aber ich setze mich auf die Ottomane und sage: »Würdest du mich schminken?«
    »Jetzt?«, fragt sie.
    Ich nicke.
    Und ein letztes Mal lässt sie ihren Zauber wirken.
    Ich klingele nach einem Diener und bitte ihn, Linden zu suchen. Ein paar Minuten später steht Linden in meiner Tür. »Du wolltest mich sehen?« Er will noch etwas sagen, aber dann sieht er mich, geschminkt, mein Haar fällt natürlich, ohne Spray, ungelockt, so wie es sein soll, und verstummt. Ich trage einen von Deidres Zopfmusterpullovern, der so flauschig ist wie eine Wolke, und einen wogenden schwarzen Rock, auf dem schwarze Diamanten glitzern.
    »Du siehst sehr hübsch aus«, sagt er.
    »Mir ist nur eingefallen, dass ich die Veranda noch nie gesehen habe«, sage ich.
    Er reicht mir den Arm. »Dann komm«, sagt er.
    Die Veranda liegt im Erdgeschoss. Sie grenzt an einen Ballsaal, der nicht viel genutzt wird. Alle Tische und Stühle im Saal sind mit Laken zugedeckt, als wären Gespenster nach einer tollen Party hier eingeschlafen. Arm in Arm schlängeln wir uns durch die Dunkelheit und bleiben vor der gläsernen Schiebetür stehen. Vor dem tiefschwarzen Himmel fällt der Schnee in einem schwindelerregenden
Wirbel wie Millionen Splitter geborstener Sterne.
    »Vielleicht ist es zu kalt zum Rausgehen«, sagt er.
    »Was redest du da?«, sage ich. »Es ist eine wunderschöne Nacht.«
    Die Veranda ist ein schlichter Vorbau mit einer kleinen Bank und Korbstühlen, von wo man auf den Orangenhain blickt. Linden fegt den Schnee weg und wir setzen uns auf die kleine Bank. Um uns herum fallen die Flocken und ganz, ganz lange reden wir nicht.
    »Es ist in Ordnung, dass du sie vermisst«, sage ich. »Sie war die Liebe deines Lebens.«
    »Nicht die einzige Liebe«, sagt er und schlingt die Arme um mich. Ich kann die kalte Wolle seines Mantels riechen. Eine Zeit lang beobachten wir, wie der Schnee fällt. Und dann sagt er: »Es fühlt sich verkehrt an, so oft an sie zu denken, wie ich es tue.«
    »Du solltest an sie denken«, sage ich. »Jeden Tag. Du solltest sie nicht irgendwo anders suchen, denn dort wirst du sie nicht finden. Du wirst sehen, wie sie in einer belebten Straße davongeht, und wenn du nach ihr greifst, dreht sie sich um und ist jemand anders.«
    Das habe ich nach dem Tod meiner Eltern monatelang gemacht. Linden sieht mich eindringlich an und ich tippe mit dem Finger auf seine Brust. »Behalte sie einfach da drinnen, im Herzen, okay? Das ist der einzige Ort, an dem du sie immer finden wirst.«
    Er lächelt mich an und einen Augenblick blitzt das Gold seiner Zähne auf. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, dachte ich, die Goldzähne wären ein Symbol der Macht und der gesellschaftlichen Stellung. Doch sie sind
nichts weiter als die Narben eines kleinen Jungen, der seine Zähne durch eine Infektion verloren hat. Er ist überhaupt nicht mehr bedrohlich.
    »Du scheinst viel über Verlust zu wissen«, sagt er.
    »Ich weiß so Manches«, sage ich und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Sein Hals strahlt Wärme ab und den schwachen Duft von Seife.
    »Ich weiß noch immer nicht, wo du hergekommen bist«, sagt er. »An manchen Tagen kommt es mir vor, als wärst du einfach vom Himmel gefallen.«
    »An manchen Tagen kommt mir das auch so vor«, sage ich.
    Er flicht seine Finger zwischen meine. Durch unsere übereinstimmenden weißen Handschuhe kann ich seinen Puls fühlen, scheint mir. Unsere Hände sind irreführend – und auch wieder nicht. Sie sehen aus, als würden sie einem Ehepaar gehören, man kann den Umriss meines Eherings unter meinem Handschuh erkennen. Und dann die Art, wie unsere Hände verbunden sind – es scheint, als könne er mich gar nicht nah genug bei sich haben.
    An diesen Händen ist nichts, was auf die Endgültigkeit
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