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Totentöchter - Die dritte Generation

Totentöchter - Die dritte Generation

Titel: Totentöchter - Die dritte Generation
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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die Rückbank einer Limousine, die mit geöffneten Türen auf dem Kies parkt.
    Wir sind irgendwo abseits der Straßen, nicht weit weg vom Highway. In der Ferne höre ich den Verkehr und ich sehe die Lichter der Stadt im lila Dunst am Horizont leuchten. Die Gegend kenne ich nicht. Eine derart einsame Landstraße liegt weit weg von den bevölkerten Straßen zu Hause.
    Geht. Die beiden anderen auserwählten Mädchen laufen vor mir. Ich bin die Letzte, die in die Limousine steigt. Eine dunkle Glasscheibe trennt uns vom Fahrer. Ehe jemand die Tür schließt, höre ich noch ein Geräusch aus dem Lastwagen, in den die übrigen Mädchen getrieben wurden.
    Es ist der erste von einem Dutzend Schüssen, die, wie ich weiß, folgen werden.
     
    Ich erwache in einem Bett mit Laken aus Satin, mir ist schlecht und ich bin nass geschwitzt. Sobald ich bei Bewusstsein bin, wälze ich mich zum Rand der Matratze, über den hinweg ich mich auf den leuchtend roten Teppich übergebe. Ich spucke und würge immer noch, als jemand anfängt, die Bescherung mit einem Lappen aufzuwischen.
    »Jeder reagiert anders auf das Schlafgas«, sagt er leise.
    »Schlafgas?«, keuche ich, und ehe ich mir den Mund an meinem weißen Spitzenärmel abwischen kann, reicht er mir eine Stoffserviette – ebenfalls leuchtend rot.

    »Es dringt aus den Lüftungsschlitzen der Limousine«, sagt er. »Damit ihr nicht wisst, wo ihr hingebracht werdet.«
    Mir fällt die Glasscheibe ein, die uns vom vorderen Teil des Wagens getrennt hat. Luftdicht, vermute ich. Undeutlich erinnere ich mich an das Zischen der Luft, die durch die Lüftungsschlitze in den Seiten strömte.
    »Eines der anderen Mädchen«, erzählt der Junge, der nun weißen Schaum auf den Fleck sprüht, wo ich mich erbrochen habe, »hätte sich beinahe aus dem Schlafzimmerfenster gestürzt, so durcheinander war sie. Natürlich ist das Fenster verschlossen. Und bruchsicher.« Trotz der fürchterlichen Dinge, die er sagt, ist seine Stimme leise, vielleicht sogar mitfühlend.
    Über die Schulter sehe ich zum Fenster. Verschlossen. Die Welt dahinter leuchtet grün und blau, strahlender als bei mir zu Hause, wo es nur Schmutz gibt und die Überreste vom Garten meiner Mutter, den ich vergebens versucht habe wiederzubeleben.
    Irgendwo weiter den Flur hinunter schreit eine Frau. Der Junge zuckt kurz zusammen. Dann schrubbt er weiter den Schaum weg.
    »Ich kann dir helfen«, biete ich an. Eben hatte ich noch keine Schuldgefühle, hier irgendetwas zu ruinieren. Ich weiß, dass ich gegen meinen Willen hier bin. Aber ich weiß auch, dass dieser Junge nicht dafür verantwortlich ist. Er kann keiner der Männer in Grau sein, die mich hierher gebracht haben – dafür ist er zu jung, vermutlich in meinem Alter. Vielleicht ist er auch gegen seinen Willen hierher gebracht worden. Ich habe noch nie gehört, dass Jungen verschwinden, aber bis der Virus vor fünfzig
Jahren entdeckt wurde, waren auch Mädchen sicher. Alle waren sicher.
    »Nicht nötig. Schon fertig«, sagt er.
    Und als er den Lappen wegnimmt, ist kein Fleck mehr zu sehen. Er zieht an einem Griff an der Wand und ein Schacht öffnet sich. Er wirft die Lappen hinein, lässt los und die Klappe schließt sich. Die Dose mit dem weißen Schaum steckt er in seine Schürzentasche und kehrt zu der Arbeit zurück, die er unterbrochen hat. Er nimmt ein silbernes Tablett vom Boden auf, das er dort abgestellt hatte, und trägt es zu meinem Nachttisch.
    »Wenn es dir besser geht – hier ist etwas zum Mittagessen für dich. Nichts, wovon du wieder einschläfst, das verspreche ich.« Er sieht aus, als würde er lächeln wollen. Beinahe. Aber er behält seinen konzentrierten Blick bei, als er eine Metallhaube von einem Suppenteller nimmt und eine weitere von einem kleinen Teller mit dampfendem Gemüse und Kartoffelbrei um einen See Soße.
    Ich bin geraubt, betäubt und hier eingesperrt worden und dennoch serviert man mir ein Feinschmeckermenü. Das ist so widerlich, dass ich mich fast schon wieder übergeben könnte.
    »Das andere Mädchen – die, die versucht hat, sich aus dem Fenster zu stürzen –, was ist mit ihr geschehen?«, erkundige ich mich. Nach der schreienden Frau am anderen Ende des Flurs wage ich nicht zu fragen. Was mit ihr ist, will ich gar nicht wissen.
    »Sie hat sich einigermaßen beruhigt.«
    »Und das dritte Mädchen?«
    »Sie ist heute Morgen aufgewacht. Ich glaube, der
Hauswalter hat sie auf eine Führung durch die Gartenanlagen
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