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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung
Autoren: Arnold Kuesters
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Elvira auf Menschen, denen sie begegnet? Ist sie, verzeihen Sie den Ausdruck, aber mir fällt da gerade kein passenderer ein, ›zutraulich‹ zu Fremden?«
    Volker Radermacher atmete tief ein und aus und sah dann Frank lange an. »Sie wissen ziemlich wenig über Behinderte, Herr Borsch.«
    »Ich bin Polizist und kein Sozialpädagoge.«
    »Menschen mit besonderen Bedürfnissen sind, soweit es ihre Störung und Beeinträchtigung zulässt, ohne Vorurteile. Das wirkt, wie Sie es genannt haben, auf Fremde zutraulich. Sie sind in vielen Dingen offener und direkter als wir. Von daher ist es nicht schwierig, ihr Interesse zu wecken. Das gilt jetzt für Menschen mit Down-Syndrom. Gleichzeitig haben diese Menschen aber auch einen ausgeprägten Willen.«
    »Hm.«
    »Das ist zunächst einmal nur ein Wesenszug. Gleichzeitig stellt er aber die empfindlichste Stelle in ihrem Charakter dar.«
    »Es wäre aber denkbar, dass sich Elvira Theissen unter bestimmten Voraussetzungen und in speziellen Situationen ›manipulieren‹ lässt?«
    »So ist es.«
    »Interessant.«
    »Hören Sie, ich habe ganz stark den Eindruck, dass Sie mehr über das Verschwinden von Elvira wissen, als Sie zugeben wollen. Da stimmt doch etwas nicht.« Volker Radermacher ließ sich in den Sessel zurückfallen. »Wo ist Elvira?«
    »Können Sie mir bitte eine Kopie Ihrer Dienstpläne besorgen?« Ecki klappte sein Notizbuch zu. »Wir möchten wissen, wer von den Betreuern wann in dieser Wohnung seine Schicht versehen hat.«
    »Wozu soll das gut sein?«
    »Wir wollen alles über Elvira Theissens Lebensumstände erfahren. Erst wenn wir ihre Gewohnheiten kennen, ihre Vorlieben, ihre Abneigungen und ihre Bezugspersonen, haben wir die Chance auf einen tragfähigen Ermittlungsansatz.«
    »Und dazu brauchen Sie unsere Dienstpläne, ja? Sie meinen immer noch, dass wir etwas mit dem Verschwinden von Elvira zu tun haben. Ja?«
    »Sie wollten uns noch ein Foto von Elvira mitgeben.«
    Frank Borsch blieb auf dem Weg zu ihrem Auto einen Augenblick unschlüssig auf der Straße stehen. »Dieser Radermacher ist schon ein komischer Vogel, Ecki.«
    »Typischer Sozialarbeiter eben: meinen alles zu wissen und zu allem die einzig richtige Antwort zu kennen, dabei leben sie in einer ganz kleinen, eigenen Welt und haben vom richtigen Leben keine Ahnung. Komm, Frank, lass uns einen Kaffee trinken, bevor wir ins Präsidium fahren.« Er deutete auf das Möbus-Café gegenüber.
    Frank Borsch tippte auf das Foto in seiner Hand. »Die Tote ist tatsächlich Elvira Theissen.«
    »Das denke ich auch.«
    »Lass uns zu dem Feuerwehrmann fahren.«
    Ecki seufzte ergeben. Eigentlich hatte er gehofft, nicht nur einen Kaffee zu bekommen, sondern auch noch ein oder besser zwei frische Hefeteilchen. »Ich hatte heute noch nichts Süßes. Ich brauche jetzt meinen Zucker.«
    »Später, Ecki, später.«
    Die Frau öffnete nur zögernd die schmucklose Glastür und sah die beiden misstrauisch an. »Ja?«
    Frank und Ecki stellten sich vor. »Dürfen wir reinkommen? Wir würden gerne mit Ihrem Mann sprechen.«
    Das Gesicht der stämmigen Frau wurde noch abweisender. Sie machte keine Anstalten, die beiden Beamten hereinzulassen. »Er kann Ihnen nichts mehr sagen. Er hat Ihren Kollegen schon alles erzählt. Seit der Sache spricht er kaum noch. Es war einfach zu viel für ihn. Er sitzt nur da und starrt in den Garten. Sie gehen besser wieder.«
    »Wir haben nur ein paar Fragen. Das muss sein. Es geht auch ganz schnell.« Ecki nickte aufmunternd.
    Hans-Georg Lambertz saß auf einem weißen Plastikstuhl auf der winzigen Terrasse seines Gartenhauses und drehte den beiden Kriminalhauptkommissaren den Rücken zu. Er trug eine fadenscheinige Hose, die im Sitzen den Blick auf seine weißen Unterschenkel freigab, die in derben Schuhen steckten. Das ausgeblichene Hemd war grau gemustert. Neben ihm auf dem Boden stand ein leerer Becher. Er rührte sich nicht, obwohl er das Quietschen des Gartentores gehört haben musste.
    Lambertz’ Garten war groß. An den Rändern standen unterschiedlich große Rhododendren. Im hinteren Teil lagen mit Buchsbaum umsäumte Staudenbeete. Zu ihnen wand sich über den Rasen ein gepflasterter Weg. Ein Sitzplatz wurde von Kletterrosen schattig gehalten.
    »Schöner Garten.« Ecki nickte Lambertz freundlich zu.
    Der Feuerwehrmann reagierte nicht.
    Frank konnte sehen, dass sich zwischen Lambertz’ kurz geschorenen Haaren Schweißperlen gebildet hatten. »Ziemlich warm heute, was?«
    Auch darauf
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