Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung
Autoren: Arnold Kuesters
Vom Netzwerk:
seine Frau zusammenzucken.
    »Ihre Kleider fingen sofort Feuer. Die ganze Frau stand in Flammen. Als wäre sie mit Benzin übergossen gewesen. Wir haben sofort gelöscht.«
    Frank schluckte. »Sie hat noch ein paar Stunden gelebt. Aber Sie sind nicht schuld daran, Herr Lambertz. Auf die Frau ist geschossen worden. Vermutlich ist sie an den Folgen der Schussverletzungen gestorben.«
    Hans-Georg Lambertz rieb sich mit den Händen langsam übers Gesicht. »Das macht keinen Unterschied. Ich habe sie verbrannt. Ich habe einen Menschen verbrannt. Sie hätten die Flammen sehen sollen. Sie hat gebrannt wie Zunder.«
    Richard Leenders beugte sich vor und schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Elvira Theissen wäre möglicherweise an ihren Schussverletzungen gestorben. Oder an ihren Brandverletzungen. Aber letztlich war es der anaphylaktische Schock, der zum Tod geführt hat.«
    »Heißt?« Frank wollte das Gespräch mit dem Pathologen möglichst kurz halten. In Gegenwart von Leenders fühlte er sich aus einem unerfindlichen Grund stets unwohl. Vermutlich hing das mit dem Geruch und dem Bild der Pathologie zusammen, die er mit dem Mediziner verband.
    »Bei Insektengiftallergikern reagiert das Immunsystem überempfindlich auf das Gift von Wespen oder Bienen oder ebendiesen Eichenprozessionsspinnerraupen. Innerhalb kürzester Zeit kann es bei einer Allergie auf Insektengift zu lebensgefährlichen Symptomen wie Blutdruckabfall, Herzrasen, Schwächegefühl oder Atemnot bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Wenn dann nicht ein Notarzt mit Adrenalin, Kortison und einem Antihistaminikum zur Stelle ist, dann wird’s ganz, ganz eng. Dazu noch die Schussverletzung. Ende aus, Mickymaus.«
    »Mhm.«
    »Ich kann auch ausführlicher.« Leenders grinste.
    Frank nickte nur.
    »Die Raupen der Nachtfalter bilden irgendwann im Larvenstadium die gefährlichen weißen Gift-, Pfeil- oder Nesselhaare. Die haben Widerhaken und enthalten das auf Eiweißbasis aufgebaute Gift Thaumetoporin. Die Nesselhaare können beim Menschen heftige allergische Reaktionen auslösen. Unter ›normalen‹ Bedingungen kann ein Kontakt mit dem Nesselgift drei Wochen Probleme bedeuten. Juckreiz ist noch die harmloseste Variante, kann ich euch sagen.«
    »Das kann echt dramatische Ausmaße annehmen.« Eckis Eltern hatten 2003 neben ihrem Ponyhof im Hardterwald eine große Fläche, die von solchen Raupen befallen war. Wochenlang hatte sich niemand mehr auf ihr Gelände getraut.
    »Waldarbeiter können auch ein Lied davon singen.«
    Frank musste an Lambertz denken. »Die Brandverletzungen waren also nicht tödlich?«
    Leenders zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher aus. »Es waren schwere Verbrennungen, keine Frage. Aber tödlich? Das kommt letztlich auch immer auf die Konstitution der Betroffenen an. Ich denke, dass der allergische Schock die Todesursache war. Jedenfalls haben wir in ihrer Lunge keine massiven Verletzungen durch Rauchgas festgestellt. Aber es müssen Hunderte Raupen auf Elvira Theissen gesessen haben.«
    »Wie kommen die so schnell in dieser Menge auf ihren Körper?« Ecki sah Leenders fragend an.
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat ja jemand einen Eimer voll gesammelt und über sie ausgekippt. Wenn nicht sogar zwei Eimer.«
    »Wurde sie am Fundort angeschossen?«
    »Wir haben keine entsprechenden Spuren gefunden.«
    »Nichts?«
    »Sie war an Händen und Beinen gefesselt. Mit Schnur aus einer Motorsense. Die Spurenlage ist eindeutig.«
    »Das heißt?« Frank sah Leenders ungeduldig an.
    »Dass ihr jetzt genug Material für eure Arbeit habt. Ich habe meinen Job gemacht. Sucht einen Naturfreund, der sich mit Insekten und Allergien auskennt. Oder einen perversen Spinner, der Spaß am Foltern hat. Elvira Theissen hat das mit den Raupen bei vollem Bewusstsein erlebt. Unabhängig von den Schussverletzungen: Das arme Geschöpf muss richtig gelitten haben.«
    »Ist sie auch missbraucht worden?«
    Leenders machte ein bekümmertes Gesicht. »Das kann ich euch nicht mit Bestimmtheit sagen.«
    »Was hat das nun wieder zu bedeuten?«
    »Ich habe keine Spuren gefunden.«
    »Warum sagst du das nicht gleich?« Du bist und bleibst ein Arsch, dachte Frank.
    »Brauchst gar nicht so blöd zu gucken, Borsch. Ich konnte keine Spuren finden.«
    »Weil?« Auch Ecki wurde ungehalten.
    »Der Flammenwerfer hat die Haut auch an den Schenkeln verletzt. Außerdem habe ich Spuren einer Lauge gefunden.«
    »Einer Lauge?«
    »Der Täter hat Elvira
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher