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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt
Autoren: Brian Hodge
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zurückweisen würde, das trifft es ganz gut. Dass sie mich ansehen und spüren würden, dass ich nicht hierhergehöre. Dass ich ein Eindringling sei.«
    »Nein, nein. So etwas dürfen Sie nie denken. Nein.« Christophe legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das Leid ist es, was mehr als alles andere den Charakter eines Haitianers beschreibt. Nicht die Hautfarbe. Jeder hier respektiert sie, denn jeder versteht, was in Ihnen vorgeht. Sie haben die Frau verloren, die Sie mehr als alles andere geliebt haben. Das ist etwas, das Sie mit ihnen teilen können.«
    »Es hört nicht auf, wissen Sie?« Justins Stimme wurde immer höher und brach dann, als er sich auf die Lippe biss. »Denn sie ist immer noch … immer noch … da, wie der schlimmste Fehler meines Lebens, den ich nie wiedergutmachen kann. Weil ich das nicht kann. Aber ich kann es … ich kann es einfach nicht hinter mir lassen.«
    Mehr als sieben Monate später lebte er immer noch in Tampa und machte einen Drecksjob nach dem nächsten, um die Rechnungen bezahlen zu können. In einem Monat war er Gefängniswärter, im nächsten arbeitete er in einer Videothek, die beiden danach spielte er den Barkeeper. So war das. Er konnte davon leben. Gerade so eben. Die Schecks halfen ihm auch über die Runden, der Teil, den er nicht für April auf die Seite legte für die Zeit, wenn sich die Versicherungsgesellschaft entschloss, nicht länger für sie aufzukommen.
    »Im Dezember habe ich April ihre Bilder und alles gebracht. Sie sagten, sie würde sie nicht einmal ansehen. Dann, etwa drei Wochen später, begann sie, damit zu arbeiten und ein Bild zu malen. Sie wollte mit niemandem darüber reden, und niemand wusste, was es war. Mir war es auch nicht klar. Da waren nur Formen und Schatten. In Blau. Und Grau.«
    Christophe lächelte. »Ich glaube, das sind wunderbare Neuigkeiten.«
    »Vielleicht.« Justin lehnte sich zurück und nutzte sein zusammengefaltetes Hemd als Kissen. »Ich besuche sie dort, an diesem Ort, und ich möchte glauben, vor allem, wenn so etwas passiert. Aber dann versuche ich mit ihr zu reden, und … es kommt nichts. Selbst wenn sie zu wissen scheint, dass ich da bin, ergibt das, was sie sagt, keinen Sinn. Zwei Menschen, die dieselbe Sprache sprechen … aber sie sind sich nicht einig in Bezug auf die Bedeutung der Worte.«
    »Verstehe«, murmelte Christophe, dann kam eine lange Stille, nur angefüllt von den Geräuschen des Wassers und den Gebeten der Fremden. Endlich: »Mein Bruder ist in einem ähnlichen Zustand, wissen Sie. Sein Verstand … ist irgendwo anders. Seit diesem Schlag gegen den Kopf war er nie mehr derselbe.«
    Justin drehte den Kopf und sah zu ihm hinauf. »Das hatte ich vergessen. Das hatte ich völlig vergessen.«
    »Ich hatte das Gefühl, ich sollte eine Weile warten, bis ich Sie daran erinnere.«
    »Es war richtig, dass Sie gewartet haben, um es hier zu tun.« Er starrte hinauf in den Himmel, dessen Blau durch das grüne Geflecht schimmerte. »Was denken Sie über einen Mann, der lebt, als ob er sich wirklich gern umbringen würde, aber nicht einfach die Waffe aufnehmen und abdrücken kann? Als würde er hoffen, dass ein Verkehrsunfall die Arbeit für ihn erledigt oder dass er sich den falschen Kerl aussucht, wenn er betrunken ist und in eine Schlägerei gerät? Wovor hat er Ihrer Meinung nach Angst? Vor dem Schmerz, wenn die Waffe in seinem Mund losgeht? Ist es das, was ihm solche Angst macht? Oder dass er sich an einem Ort wiederfinden könnte, an dem er wirklich für seine Sünden bezahlen muss? Denn er hat die Waffe schon die ganze Zeit parat. Aber er kann es einfach nicht tun.« Dann sehr viel leiser, eher ein gequältes Flüstern, das Christophe wahrscheinlich gar nicht mehr hören konnte. »Ich frage mich jeden Tag …«
    »Vielleicht«, setzte Christophe langsam an, »hat er einfach nur Angst, dass er erfolgreich sein könnte.«
    Justin lachte, halb vor Freude und halb vor Bitterkeit. »Dann wäre es nicht das erste Mal, dass ihm das in die Quere käme.«
    »Er muss nur verstehen, dass sein Tod etwas bedeuten sollte. Dass er nicht umsonst gewesen sein darf.« Christophe schloss die Augen und saß einige Zeit mit gesenktem Kopf da, eine neue Falte machte sich auf seiner Stirn breit. »Sie beten jetzt zu Napolean, zumindest einige von ihnen. Sie glauben, dass er bereits ein Loa ist.«
    »Wer?«
    »Diejenigen, die Twin Oaks verlassen haben und jetzt in Miami sind. Und jene, die gezwungen wurden, hierher
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