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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse
Autoren: Dietmar Lykk
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Kommissarin Hoyer verließ das Zimmer. Sie war die »einfühlsame Kollegin«, die Harder um Unterstützung gebeten hatte.
    Ganz schön mutig für eine junge Kommissarin, die erst fünf Wochen bei der Bezirkskriminalinspektion arbeitete, dachte Malbek. Vorher war sie auf der Polizeizentralstation in Schleswig gewesen. Sie hatte sich auf eine Ausschreibung beworben. Die Kripo Kiel konnte immer wieder Unterstützung von Kollegen der Schutzpolizei gebrauchen. Mit ihren neunundzwanzig Jahren hatte sie ausreichende Erfahrungen für die Stelle. Und hervorragende Beurteilungen. Und sie sah ausgesprochen gut aus.
    Harders Blick sagte alles. Er sah das mit der Schäbigkeit des Chefs genauso. Vehrs stand am Fenster und betrachtete die dunklen Wolkenfetzen, die am Himmel entlangjagten. Es sah schon wieder nach Regen aus.
    »Das erfüllt doch den Tatbestand der Beleidigung, was Frau Hoyer eben sagte, oder?«, fragte Malbek und ließ sich langsam auf einen Stuhl am Besprechungstisch sinken. Er war vor einer knappen Minute an der offenen Tür des Besprechungsraumes vorbeigekommen, als er nach seinen Mitarbeitern suchte, und war mitten in die Diskussion über das Geschehen in der Rechtsmedizin geplatzt.
    »Kommt drauf an, ob Sie das als kränkend empfunden haben.« Seine Hand zerbrach einen Bleistift.
    »Nein, eigentlich nicht. Aber das mit der Affäre, das fand ich nicht gut.«
    Harder starrte ihn fassungslos an.
    »Na, Harder, sagen Sie etwas. Ihnen liegt doch etwas auf der Zunge.«
    »Schade, dass Sie nicht dabei waren. In dem Moment, als der Assistent die Tür der Kühlschublade öffnete, ist sie zusammengebrochen. Man hat einen Notarzt holen müssen. Der hat sie wegen ihres schlechten Allgemeinzustandes gleich mitgenommen. Die müssen sie erst durchchecken und auf die Beine bringen, bevor wir sie da noch mal ranlassen dürfen. Er meinte die Kühlschublade.«
    Harder sah Malbek mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Sie meinen, ich hätte ihr das ersparen sollen, stimmt’s?«, sagte Malbek.
    »Ja, das meine ich, weil –«
    »Ich hätte ihre Arroganz und Hilflosigkeit einfach übersehen oder besser noch verzeihen sollen, stimmt’s?«, sagte Malbek etwas lauter. »Aber alles verzeihen heißt, nichts verstehen! Es war doch absehbar, dass sie auch ohne den Anblick einer Kühlschublade bald zusammengeklappt wäre, wahrscheinlich allein in der Wohnung, und wer weiß, wann man sie gefunden hätte. Mann, der Kotzgestank ist einem doch ins Hirn gekrochen. Und was glauben Sie, wie viel sie gewogen hat? Vierzig, fünfundvierzig Kilo? Haben Sie mal was von Ess-Brechsucht gehört? Oder Bulimie? Wer weiß, was da noch im Spiel war.«
    »Aber … ich fand, es hat nach Mottenkugeln gerochen«, sagte Harder. »Dann der Schock wegen des Freundes. Und … gucken Sie doch mal die jungen Models in der Werbung …«
    »Sie haben zwei Söhne?«
    »Ja, und?« In Harders Stimme war plötzlich ein grollender Unterton.
    »Wie alt?«
    »Zwölf und vierzehn. Wieso?«
    Ja, wieso? Wie sollte er Harder erklären, warum er diese Frage gestellt hatte?
    »Mein Sohn hat es mit Insekten«, sagte Vehrs in die plötzliche Stille hinein. »Er hat zwei Terrarien. Ab und zu entwischen einige. Ich hasse Insekten. Spinnen, Tausendfüßer …«
    »Einen Tausendfüßer hatte meine Tochter auch. Inzwischen hat sie eine Tausendfüßerfamilie. Und jetzt will sie Psychologie studieren«, sagte Malbek. Er wusste nicht, warum er das erzählte. Das ging doch keinen etwas an.
    Harder schürzte wichtig die Unterlippe, wiegte den Kopf scheinbar verständnisvoll und schwieg. Vehrs sah abwechselnd Malbek und Harder an und fuhr sich dann langsam durch die dichten schwarzen Haare, blies die Backen kurz auf und ließ die Luft erleichtert mit einem Plopp entweichen.
    »Danke, Vehrs, das war das Signal, auf das ich gewartet habe«, sagte Malbek. »Also, was gibt Neues?«
    »Frerksen hat auf Markus Peters’ Notebook noch nichts Besonderes gefunden, wie er sich ausdrückte. Jedenfalls nichts, was auf einen großen Unbekannten hindeutet. Er sucht weiter in den E-Mail-Konten und Foren, die Markus genutzt hat«, sagte Vehrs.
    Harder berichtete, dass noch kein Obduktionsergebnis vorlag. Das im Kopf vermutete Projektil und die Tatwaffe waren bisher nicht gefunden worden. Das Projektil lag möglicherweise im Uferschlamm, der von der Spurensicherung großflächig durchgesiebt wurde.
    Vehrs hatte inzwischen ermittelt, dass Markus Peters um die fragliche Zeit eine eingehende und drei abgehende
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