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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse
Autoren: Dietmar Lykk
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nachdenklich zu, wie die überschüssige Farbe zäh in den Eimer zurücktropfte.
    »Das Schlimme an der Geschichte war, dass Harder ihr zugestimmt hat und mir dann fast ins Gesicht gesprungen ist.« Ja, so konnte man das vielleicht am besten zusammenfassen, ohne in die unangenehmen Details zu gehen. Er drückte die Rolle sorgfältig am Sieb aus, bis sie fast trocken war, tunkte sie wieder in den Eimer, und sein Spiel mit den zähen Tropfen begann von Neuem.
    »Und jetzt willst du von mir hören, dass du recht hast in allem, was du tust?« Sie sah ihm bei seinem Spiel mit der Farbe zu. »Sag mal, hat das was mit dem Leichenfund am Kanal bei Rendsburg zu tun? Ist da nicht Eric zuständig?«, fragte sie, nahm ihm die Rolle aus der Hand, drückte sie aus und gab sie ihm zurück.
    »Die Leiche lag auf meiner Seite. Sein Revier fängt einen Kilometer weiter nördlich an. Und um deine erste Frage zu beantworten, nein. Ich habe mich mit meiner Kommissarin nicht wegen der Leiche gestritten. Es war wohl mehr ein persönlicher Streit …« Er zog sich die Klappleiter heran und begann die Decke zu streichen.
    »Abgesehen davon, dass du, wie Lüthje einmal sagte, manchmal nicht einfach bist, ich kann ein Lied davon singen. Ein Chef, der acht Jahre im Gefängnis gesessen hat, ist schwierig genug, auch wenn er nach verbüßter Haft seine Unschuld mit Hilfe seines Flensburger Kollegen Lüthje beweisen konnte. Und mit einem Freispruch erster Klasse rehabilitiert und in Amt und Würden als Dezernatsleiter wieder eingesetzt wurde. Nach und nach haben seine Mitarbeiter erfahren müssen, dass dieser Chef nicht pflegeleicht und außerdem bibelfest und besserwisserisch ist. Er ist Eigentümer eines leer stehenden Gutshauses, in dem es spuken soll, verfügt angeblich über ein beträchtliches Vermögen und wohnt in einem alten Wohnmobil neben dem Gutshaus. Seine Freundin ist Journalistin, was sich auch nicht verheimlichen lässt. Versetz dich mal in deine Mitarbeiter! Was würdest du denn an ihrer Stelle tun?«
    »Ich würde mich verdammt noch mal beherrschen«, sagte Malbek. Und presste die Farbrolle so fest an die Decke, dass die Farbe schmatzend auf die Abdeckplane fiel.
    »Was weißt du über den Reeder Axel Molsen?«, fragte Malbek.
    »Und das ist noch etwas, was du nicht kannst: einen Gesprächsfaden zu Ende zu führen.« Jette kniete am Boden und trug mit einem breiten Pinsel die Wandfarbe auf den unteren Wandbereich auf.
    »Falsch. Es ist ein Ablenkungsmanöver.« Malbek stieg die Leiter hinunter und legte die Farbrolle auf das Sieb. »Also, was ist? Du bist Ressortleiterin und schreibst doch so nebenbei die Klatschspalte. Erzähl, was du über Molsen weißt.«
    »Was krieg ich dafür?«
    »Erst will ich sehen, was du zu bieten hast.«
    »Seit dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren lebt er sehr zurückgezogen. Jedenfalls sieht man ihn selten bei gesellschaftlichen Anlässen. Na ja, auf Sylt schon, manchmal, dort hat er ein Haus bei Keitum, aber sonst so … In Hamburg vielleicht noch, aber sonst …«
    »Sie soll sich mit ihrem Jaguar überschlagen haben. Ein Werkstattfehler, der Aufkleber für die Winterreifen fehlte auf dem Armaturenbrett. Er behauptet, er hat die Werkstatt nicht verklagen wollen«, sagte Malbek langsam, als ob er jedes Wort nachträglich auf die Glaubwürdigkeit abklopfen wollte.
    »Kann man doch auch verstehen, oder?« Sie legte den Pinsel auf die Abdeckfolie und stand auf.
    »Ich weiß nicht …« Er beschloss, sich die Ermittlungsakte von damals einmal anzusehen. »Seit wann leitet er eigentlich die Reederei?«
    »Seit seine Eltern mit der Concorde bei Paris abstürzten. Soll ihm nicht leichtgefallen sein, plötzlich die Verantwortung für eine traditionsreiche Reederei übernehmen zu müssen.« Jette sah kopfschüttelnd ihre Hände an. Sie hatte vergessen, die Einmalhandschuhe anzuziehen.
    »Oh. Ich bezweifle, dass du die Farbflecken je wieder von den Fingern bekommst.«
    »Eine interessante Mischung sehe ich in deinem Gesicht. Betroffenheit und Enttäuschung«, sagte Jette und wischte die Wandfarbe mit einem Handtuch ab.
    »Enttäuschung?«, fragte Malbek.
    »Na, beim Autounfall sah ich in deinen Augen etwas böse funkeln … Aber die Concorde … Das siehst sogar du ein. Das wäre doch abwegig, da Verbindungen zu suchen«, sagte Jette.
    »Sag mal, lagen da nicht noch Hähnchenkeulen im Backofen?« Er hatte plötzlich wieder einen Bärenhunger.
    »Bleib, wo du bist!«, rief sie mit Blick auf seinen
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